[imc-presse] [attac-d-presse] Aktionsbündnis "Wohnen ist Menschenrecht" gegründet

Attac-Pressestelle presse at attac.de
Thu Sep 12 10:51:29 CEST 2019


PM als PDF-Datei:
www.attac.de/PM-Wohnen-ist-Menschenrecht

--

Gemeinsame Pressemitteilung

Attac Deutschland
Ausspekuliert
BAG Wohnungslosenhilfe
Berliner Mieterverein
Bizim Kiez
Deutscher Gewerkschaftsbund
Deutscher Mieterbund
Freier Zusammenschluss von Student*innenschaften
Mietentscheid Frankfurt
Nationale Armutskonferenz
Netzwerk Mieten und Wohnen
Verdi

12. September 2019


* Verbände, Organisationen und Initiativen gründen Aktionsbündnis
„Wohnen ist Menschenrecht“

* Radikaler Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik gefordert

Ein Jahr nach dem Wohngipfel im Bundeskanzleramt hat sich auf den
Wohnungsmärkten in Deutschland nichts geändert: Mehr als eine Million
bezahlbare Mietwohnungen fehlen, der Bestand an Sozialwohnungen
schrumpft weiter, auf jetzt nur noch 1,18 Millionen. Die Mieten haben
Rekordniveau erreicht, die Wohnkostenbelastung liegt für
Einpersonenhaushalte bei 34 Prozent, für einkommensschwächere Haushalte
bei 46 Prozent. Wohnen ist zum Armutsrisiko geworden. Die Angst vor
Mietsteigerungen, Verdrängung und Kündigung wächst. Rund 650.000
Menschen sind sogar wohnungslos.

Das jetzt neu gegründete Bündnis „Wohnen ist Menschenrecht“ schlägt
Alarm und fordert einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungs- und
Mietenpolitik.

Träger des parteipolitisch neutralen Bündnisses sind zurzeit der
Deutsche Mieterbund (DMB), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der
Berliner Mieterverein (BMV), ver.di, die BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W),
die Nationale Armutskonferenz (NAK), Attac, der freie zusammenschluss
von student*innenschaften (fzs), das Netzwerk Mieten & Wohnen, Bizim
Kiez, Mietentscheid Frankfurt und #ausspekuliert. Weitere Träger und
Unterstützer des Bündnisses sind angefragt.

Ziel des Bündnisses „Wohnen ist Menschenrecht“ ist, gemeinsam gegen
Spaltung, Verdrängung und Wohnungslosigkeit und für bezahlbaren Wohnraum
für alle, statt mehr Rendite für wenige, zu kämpfen. Statt untauglicher
wohnungspolitischer Gesetzesvorhaben, wie Baukindergeld oder Sonder-AfA
für den Mietwohnungsneubau, oder mietrechtlicher Korrekturen
homöopathischen Ausmaßes muss die Bundesregierung endlich umsteuern und
eine Politik für Mieter und Wohnungssuchende machen.

Das Bündnis „Wohnen ist Menschenrecht“ fordert deshalb mehr Neubau für
breite Schichten der Bevölkerung und mehr Mieterschutz vor hohen
Wohnkosten und Verdrängung. Das heißt:

- Eine dauerhafte, bundesweit wirksame Mietpreisbremse für
Bestandswohnungen ist zu schaffen, ohne Ausnahmen.

- Mietpreisüberhöhungen / Mietwucher müssen mit Bußgeldern verfolgt
werden, das Wirtschaftsstrafgesetz ist so zu ändern, dass es wieder
anwendbar ist.

- Mieterhöhungsmöglichkeiten sind drastisch einzuschränken.

- Mieterhöhungen aufgrund energetischer Modernisierungen sollen
möglichst warmmietenneutral sein, die Umlage in der jetzigen Form ist
abzuschaffen, zumindest aber auf 4 Prozent zu reduzieren.

- Die Klimaschutzziele von Paris müssen für den Gebäudebestand
realisiert werden, die öffentliche Förderung muss um- und ausgebaut werden.

- Der Kündigungsschutz ist zu verbessern, Eigenbedarfsgründe sind
einzuschränken. Die Nachzahlung von Mietschulden muss eine Kündigung -
nicht nur die fristlose - unwirksam machen. Kündigungen wegen
Vertragsverletzungen dürfen erst nach gerichtlicher Feststellung möglich
werden.

- Soziale Träger müssen stärker vor Verdrängung geschützt werden,
Mieterrechte und eine wirksame Mietpreisbremse sind auch im gewerblichen
Bereich zu schaffen.

- Zur Vermeidung von Wohnungsverlusten ist ein wirksames
Präventionssystem erforderlich, Zwangsräumungen in die Wohnungslosigkeit
müssen verhindert werden.

- Der soziale und preisgünstige Wohnungsneubau muss deutlich ausgeweitet
werden. Bis zum Jahr 2030 ist der Bestand an Sozialmietwohnungen auf 2
Millionen zu erhöhen. Dazu müssen mindestens 150.000 preisgünstige und
preisgebundene Wohnungen pro Jahr gebaut und zum Beispiel zusätzliche
Preisbindungen über Ankauf und Modernisierung geschaffen werden. Ziel
ist der Umbau der Fördersystematik hin zu langfristigen und dauerhaften
Bindungen.

 - Die Privatisierung von Wohnungen und Gebäuden der öffentlichen Hand
ist auszuschließen. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist
deutlich zu erschweren.

- Der Milieuschutz ist durch Mietobergrenzen zu stärken, die Ausnahmen
vom Genehmigungsvorbehalt bei Umwandung in Eigentumswohnungen sind zu
beseitigen und preislimitierte Vorkaufsrechte sind rechtssicher
auszugestalten und auszuweiten.

- Bodenpreise und Bodennutzung sind zu regulieren und stärker an das
Gemeinwohl zu binden. Grundstücke der öffentlichen Hand dürfen nicht zum
Höchstpreis veräußert werden, sie müssen vorrangig an städtische
Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und gemeinwohlorientierte
Wohnbauakteure auf Erbpachtbasis mit Konzept vergeben werden. Unbebautes
Wohnbauland ist stärker zu besteuern, Baugebote müssen ausgesprochen und
ausgeweitet werden.

- Gemeinwohlorientierte Eigentümer und Vermieter sind zu stärken und
eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ist einzuführen.

- Immobilienbesitz ist transparent zu machen, entsprechende Register
sind einzuführen.

-  Diskriminierungen an den Wohnungsmärkten sind zu sanktionieren, mehr
barrierefreier Wohnraum ist zu schaffen.

-  Die Kosten der Unterkunft sind jährlich realitätsgerecht anzupassen.
Das Gleiche gilt für das Wohngeld, hier müssen auch die Heizkosten
berücksichtigt werden.

Lukas Siebenkotten, Deutscher Mieterbund: „Mit unseren Aktionsbündis
kämpfen wir gemeinsam für eine andere Wohnungspolitik in Deutschland.
Wir brauchen mehr nachhaltigen, sozialen und dauerhaft preisgünstigen
neuen Wohnraum. Die Mieten müssen bezahlbar sein und bleiben. Dazu sind
eine nicht von Ausnahmen durchlöcherte Mietpreisbremse, wirksame
Mietwucherregelungen nach dem Wirtschaftsstrafgesetz und die drastische
Einschränkung von Mieterhöhungen, zum Beispiel durch Absenkung der
Kappungsgrenzen oder der Modernisierungsumlage, notwendig. Wohnen ist
ein Menschenrecht. Deshalb muss der Kündigungsschutz verbessert und
müssen Zwangsräumungen verhindert werden.“

Stefan Körzell, Deutscher Gewerkschaftsbund: „Angesichts der zunehmenden
Wohnungskrise passt es nicht zusammen, dass die Bundesregierung die
Mittel für den sozialen Wohnungsbau von 1,5 auf eine Milliarde Euro im
Jahr 2020 absenkt. Wir brauchen jetzt schnell von Bund und Ländern,
jährlich mindestens 7 Milliarden Euro zweckgebunden für den Bau von bis
zu 150.000 preisgebundenen Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Gegen die
Krise hilft nur bauen, bauen und nochmals bauen“.

Franziska Schulte, Berliner Mieterverein: „In unserer täglichen Arbeit
mit Mieterinnen und Mietern sehen wir uns häufig in der Situation nach
einem Recht zu beraten, was sich für die Menschen wie großes Unrecht
anfühlt. „Das können sie doch nicht machen mit uns!“, heißt es oft
begleitet von Fassungslosigkeit und Wut. Die Menschen fühlen sich
ohnmächtig im Angesicht eines Gesetzes, welches Ihnen die Wohnung, die
Heimat oder den bisherigen Lebensstandard nimmt. Modernisierungen,
Kündigungen, Zwangsräumungen und reguläre Mieterhöhungsmöglichkeiten
machen unfrei und ungleich! Als politisches Organ der Berliner
Mieterschaft rufen wir gemeinsam mit zahlreichen Verbänden, Initiativen
und Organisationen die Bundesregierung auf, „Wohnen als Ware“ nicht
länger zu dulden.“

Sabine Bösing, BAG Wohnungslosenhilfe: „In 2017 waren 650 000 Menschen
wohnungslos, so die Schätzung der BAG W. Bezahlbarer Wohnraum ist die
Grundvoraussetzung zur Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger mit einer
eigenen Wohnung – einschließlich der wohnungslosen Menschen. Allerdings
ohne Wohnungen für Wohnungslose und ohne ein systematisches
Präventionssystem in jeder Kommune, werden sich Wohnungsnot und
Wohnungslosigkeit nicht bekämpfen lassen.“

Thomas Fritz, Attac: "Um das Recht auf Wohnen gegen die
Immobilienspekulation durchzusetzen, brauchen wir eine Zangenbewegung.
Zum einen müssen starke Mietendeckel die Investorenerwartungen auf
exorbitante Mietsteigerungen durchkreuzen. Zum anderen muss eine Neue
Wohnungsgemeinnützigkeit den Aufbau eines öffentlichen Wohnungsbestands
mit dauerhaft leistbaren Mieten fördern."

Sebastin Zachrau, freier zusammenschluss von studen*innenschaften:
„Student*innen sind besonders von Wohnungsnot betroffen: Mit geringem
Einkommen müssen wir innerhalb kurzer Frist an Orte ziehen, die häufig
besonders begehrt sind. Finden wir dort keine Wohnung, ist damit auch
der Studienplatz obsolet, und letztlich unsere Berufsfreiheit.“	
Jan Kuhnert, Netzwerk Mieten & Wohnen: „Wir brauchen eine langfristig
gesicherte Wohnraumversorgung, deshalb fordert das Netzwerk eine neue
Wohnungsgemeinnützigkeit, um ein dauerhaft preisgünstiges Angebot
insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen zu schaffen. Dazu muss
die Wohnungspolitik drastisch umgesteuert werden und der staatliche
Bodenbesitz gezielt für neue dauergebundene Wohnungen genutzt werden,
die Wohnungen der öffentlichen Hand mit einer dauerhaften Mietpreis- und
Belegungsbindung gesichert werden.“

Kathrin Ottovay, Bizim Kiez: "Wir sind eine Nachbarschaftsinitiative,
doch wir wissen: Verdrängung durch Immobilienspekulation ist kein auf
unseren Kiez beschränktes Problem. Die Mieten sind zu hoch,
nahversorgendes Kleingewerbe und Soziales rechtlos, unsere
Nachbarschaften bloße Anlageobjekte. Als Teil der kämpferischen
Mietenbewegung grätschen wir dazwischen, und dieses Aktionsbündnis ist
ein weiterer Baustein für solidarische Städte: Mieten richtig deckeln,
Gewerbemietrecht reformieren, Umwandlungsverbot, gemeinnütziger Neubau
und Kommunalisierung auch durch Enteignung, denn Wohnraum gehört in die
Hand der Gesellschaft, nicht an die Börse."

--

Die nächsten Aktionen:

* Am 19. September wird eine Menschenkette zwischen Bundeskanzleramt und
Bundesinnenministerium gebildet. So soll ein Zeichen gesetzt werden,
damit die Bundesregierung endlich Wohnungsnot und Mietenwahnsinn wirksam
bekämpft. Das Bündnis ruft alle Mieterinnen und Mieter auf, mitzumachen.	
Treffpunkt und Kundgebung: 19. September 2019, 14.45 Uhr,
Washingtonplatz / Berliner Hauptbahnhof

* Im Oktober/November werden an verschiedenen Orten in Deutschland
Diskussionen zu unterschiedlichen Wohnthemen mit Betroffenen geführt.
Dabei sollen Informations-Clips entstehen, die auf den Webseiten des
Bündnisses www.menschenrecht-wohnen.org eingestellt werden. Hier gibt es
dann auch weitere Informationen zum Aktionsbündnis, zu Trägern und
Unterstützern und zu weiteren Vorhaben.

--

Für Rückfragen:

* Jana Mattert, Attac-Koordinierungskreis, Tel. 01577 286 2393


-- 
------------------------------------------------
Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
------------------------------------------------
Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel. 069 900 281-42; 0151 6141 0268
presse at attac.de
------------------------------------------------
_______________________________________

Um diese Mailingliste abzubestellen oder die E-Mail-Adresse zu ändern, besuchen Sie bitte:
https://listen.attac.de/mailman/listinfo/attac-d-presse

Alle Pressemitteilungen von Attac Deutschland (mit Suchfunktion) finden Sie unter http://www.attac.de/presse


More information about the imc-presse mailing list