[imc-presse] [attac-d-presse] BFH und BMF gemeinsam gegen Attac: Gemeinnützigkeits-Urteil politisch motiviert?

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Thu May 16 10:10:05 CEST 2019


Pressemitteilung
Attac Deutschland
Frankfurt am Main, 16. Mai 2019



* Gemeinnützigkeit: Ministerium und Gericht an einem Strang gegen Attac?

* BFH-Präsident und zuständiger Abteilungsleiter im
Bundesfinanzministerium gemeinsam im Vorstand des wirtschaftsnahen
„Institut für Steuern und Finanzen“


Das wirft Fragen auf: Der Präsident des Bundesfinanzhofes (BFH), Rudolf
Mellinghoff, und der für den „Fall Attac“ zuständige Leiter der
Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium, Rolf Möhlenbrock, sitzen
gemeinsam im Vorstand des wirtschaftsnahen Lobbyvereins „Institut für
Steuern und Finanzen“. Das hat das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus in
seiner am Mittwoch ausgestrahlten Sendung aufgedeckt.

„Der Präsident des Bundesfinanzhofes und der zuständige Abteilungsleiter
im Bundesfinanzministerium engagieren sich zusammen in einem angeblich
gemeinnützigen Lobbyverein für die Senkung von Unternehmenssteuern – und
verfolgen damit genau das Gegenteil dessen, wofür Attac eintritt.
Zugleich sind die beiden zentrale Akteure bei der Aberkennung der
Gemeinnützigkeit von Attac. Das hat einen sehr unguten Beigeschmack und
bestärkt unseren Eindruck, dass es sich bei der Entscheidung des BFH um
ein politisch motiviertes Urteil handelt", stellt
Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann fest.

Das Schreiben, mit dem das Finanzministerium im Juni 2018 seinen
Beitritt zum Revisionsverfahren gegen Attac vor dem Bundesfinanzhof
begründete, stammt von Rolf Möhlenbrock, damals noch
Unterabteilungsleiter. Darin argumentiert Möhlenbrock, Attac sei zu
politisch engagiert, um als gemeinnützig gelten zu können. Insbesondere
kritisiert der Ministerialbeamte, die Positionen des Netzwerks seien
„näher der Parteipolitik der Opposition als der der Regierungsparteien“.
Und weiter wörtlich: „Die Standpunkte des Klägers waren durchweg
Standpunkten von Parteien zuzuordnen, die im linken Parteienspektrum […]
zu verorten sind.“

Ähnlich begründete BFH-Präsident Mellinghoff das Urteil gegen Attac im
Februar dieses Jahres: Zur Gemeinnützigkeit gehöre „nicht die allgemeine
politische Betätigung auf allen möglichen Feldern“. Attac habe „diesen
Rahmen überschritten.“

Tatsächlich hat sich das als gemeinnützig geltende „Institut für Steuern
und Finanzen“ (ifst), zu dessen sechsköpfigem Vorstand Mellinghoff und
Möhlenbrock gehören, selbst zum Ziel gesetzt, die Politik und
insbesondere die Gesetzgebung in seinem Sinne zu beeinflussen: Anliegen
des Institutes ist es, eine unternehmensfreundliche „bewegliche
Steuerpolitik“ durchzusetzen. Dafür kommen in Vorstand und Kuratorium
des Instituts Wirtschaftsvertreter, Abgeordnete und Finanzpolitiker,
Ministerialbeamte, Richter und Wissenschaftler zusammen.

In den Veröffentlichungen des Instituts überwiegen wirtschaftsliberale
Positionen, wie sie FDP und CDU vertreten. So enthält der Einladungstext
zur ifst-Jahrestagung klare Forderungen nach Senkung von
Unternehmenssteuern und steuerlichen Standortanreizen, die eindeutig als
Lobbyarbeit für Unternehmen gewertet werden können. Attac dagegen setzt
sich für eine höhere Besteuerung von Konzernen und die Wiedereinführung
einer Vermögenssteuer ein.

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Weitere Informationen:

* Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums zum Beitritt in das
Revisionsverfahren (6.6.2018):
https://www.attac.de/fileadmin/user_upload/06-06-2018_StellungnahmeBMF-schwarz.pdf


* Urteil des BFH (26.02.2019):
https://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/jetzt-erst-recht/Urteil_Attac_Bundesfinanzhof.pdf

* Das „Institut für Steuern und Finanzen“:
https://www.ifst.de/das-institut/

* Weitere Informationen und Dokumente zur Auseinandersetzung um die
Gemeinnützigkeit von Attac:
www.attac.de/kampagnen/gemeinnuetzigkeit

* Plusminus-Beitrag "Die EU und ihre Lobbyisten" (15.5.2019):
http://mediathek.daserste.de/Plusminus/Die-EU-und-ihre-Lobbyisten/Video?bcastId=432744&documentId=62901516

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Hintergrund

Mit der Behauptung, Attac sei zu politisch, entzog das Finanzamt
Frankfurt dem Netzwerk am 14. April 2014 die Gemeinnützigkeit.
Insbesondere der Einsatz für eine Finanztransaktionssteuer oder eine
Vermögensabgabe diene keinem gemeinnützigen Zweck, hieß es zur
Begründung. Im November 2016 gab das Hessische Finanzgericht der
Attac-Klage gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit voll statt. Trotz des
klaren Richterspruchs wies das Bundesfinanzministerium das Finanzamt an,
beim Bundesfinanzhof in München Revision zu beantragen. Im Januar 2018
trat das Ministerium dem Revisionsprozess auch offiziell als
Verfahrensbeteiligter bei.

Im Februar 2019 urteilte der BFH, das politische Engagement von Attac
sei nicht vereinbar mit einer Gemeinnützigkeit, und verwies das
Verfahren zurück an das Hessische Finanzgericht. In dem erneuten Prozess
müssen die Richter in Kassel nun den engen Vorgaben des BFH folgen.

Infolge des Entzugs der Gemeinnützigkeit können Mitglieder und
Unterstützer der Attac-Arbeit ihre Beiträge und Spenden nicht mehr von
der Steuer absetzen. Stiftungen und andere Institutionen konnten
Projekte von Attac nicht mehr fördern.

Gemeinsam mit anderen Organisationen hat Attac die Gründung der Allianz
"Rechtssicherheit für politische Willensbildung" angestoßen, die im Juli
2015 die Arbeit aufgenommen hat. Der Allianz setzt sich für ein modernes
Gemeinnützigkeitsrecht und eine Änderung der Abgabenordnung ein. Ihr
angeschlossen haben sich mehr als 120 Vereine und Stiftungen – darunter
neben Attac beispielsweise auch Brot für die Welt, Amnesty
International, Medico International, Oxfam, Terres des Hommes und
Campact. (www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de)

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Für Rückfragen und Interviews:

* Stephanie Handtmann, Geschäftsführerin im Attac-Bundesbüro, Tel. 069
900 281 22, 0176 2419 1706

* Dirk Friedrichs, Vorstand Attac-Trägerverein e.V. /
Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0177 3276 659

* Frauke Distelrath, Attac-Pressesprecherin, Tel. 069 900 281 42, 0151
6141 0268


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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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