[imc-presse] Ramstein - Die Katastrophe 28. August 1988- Friedenspolitischer Text

Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier buero at agf-trier.de
Tue Aug 28 15:08:46 CEST 2018


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Friedensinteressierte,

anbei zu Ihrer/eurer Information ein Text zur Flugtagkatastrophe von
Ramstein, die sich heute zum 30mal jährt.

Im Anhang als pdf sowie die Plakat bzw. Titelbilder von Aktionen bzw der
Dokumentation zum Hearing 13. August 1989 von der „Aktionsgemeinschaft
wider das Vergessen.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Pflüger, i.A. der Kampagne KRIEG BEGINNT HIER

Nächste Veranstaltungen: Film zum Drohnenkrieg 29.8. Trier,
Friedenskundgebungen zum 1.9. in Trier, Kaiserslautern, Mainz und
Saarbrücken: http://www.krieg-beginnt-hier.de/


* * * *


Dossier

*Ramstein - Die Katastrophe*

*2**8**. August 1988*


Am 28. August 1988 hat auf der US Air Base Ramstein wie auch Jahre zuvor
ein Flugtag statt gefunden. Wie in den Jahren zuvor haben auch
AktivistInnenen der Friedens­bewegung gegen die Veranstaltung
protestiert und Flugblätter im Zugangsbereich zum Flugplatz verteilt.
Sie sahen sich heftiger Bepöbelungen und Beschimpfungen durch die
Besucher­Innenausgesetzt. Die AktivistInnen sahen sich veranlasst, nur
noch Flugblätter an den geparkten Autos zu hinterlassen. Am Mittag kam
es dann zur größten Katastrophe die bis zu diesem Zeitpunkt stattfand.

Bei dieser Katastrophe wurden nach offizieller Darstellung 70 Menschen
getötet und weit mehr als 400 schwer verletzt. Unter den getöteten
sollen angeblich nur zwei us-ameri­kanische Opfer gewesen sein. Als
Schuldige haben die militärischen Untersuchungs­ausschüsse und der
Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, den Solopiloten der
Kunstflugstaffel „Frecce Tricolori“ genannt. Der „Zwischenfall“ wäre auf
„menschliches Versagen“ zurück zuführen.

Um diesen hinter verschlossenen Türen tagenden Untersuchungsausschüssen
eine Öffentlichkeit entgegen zusetzen, beschloss die Bürgerinitiative,
ein Tribunal am ersten Jahrestag zu veranstalten. Alleine, der Name
„Tribunal“ erregte soviel Aufsehen, dass Angriffe prompt kamen.
Diejenigen, die vor der Katastrophe aufgerufen haben, den Flugtag
massenhaft zu besuchen, waren jetzt zur Stelle und bezeichneten
diejenigen, die vor Flugtagen immer gewarnt und zum Protest aufgerufen
haben, als „Faschisten“. Die Auseinandersetzung nahm solche Ausmaße an,
dass die Initiative die Veranstaltung in „Hearing“ umbenannte.

Von offizieller Seite versuchte man, den Mantel des Schweigens über die
Katastrophe zu hüllen und mit allen Mitteln das Hearing zu verhindern.
So musste der Termin vom Jahres­tag auf den 13. August 1989 vorverlegt
werden. Das Bürgerhaus in Ramstein wurde als Veranstaltungsort nach
erster Zusage verweigert. Was unter anderem zu einer gericht-lichen
Auseinandersetzung geführt hatte, bei der die Initiative unterlag.

Das Hearing sollte klären, in wieweit die damaligen Minister der
Verteidigung der Bundes­republik, Wörner und Scholz, in der
Genehmigungsphase war Ministerwechsel, die politische
Gesamtverantwortung in dem Punkt, „Sicherheit der Zuschauer“ zu tragen
haben. Handelte der Verteidigungsminister fahrlässig und machte er sich
somit an dem Tod von mindestens 70 Menschen und über 400Verletzten
mitschuldig? Verletzte er seine Aufsichts-, Kontroll- und Sorgfaltspflicht?

Gegenüber dem Veranstalter, der 316. Air Division, sollten Fragen
geklärt werden: Durfte die gefährliche Flugvorführung der italienischen
Kunstflugstaffel „Frecce Tricolori“, „Durch­stoßendes Herz“, durch den
Gesamtleiter des Flugtages, Colonel Parlatore, genehmigt werden? Obwohl
er wusste, dass der Soloflieger in Richtung Zuschauer fliegen würde. Ein
Überfliegen der Zuschauer ist verboten, bzw. bedarf einer
Ausnahme­genehmigung. Dies wurde vom Veranstalter nicht beantragt.

Eine weitere Frage, die sich in diesem Zusammen­hang stellte, war die
der Sicherheits­abstände, die die STANAG 3533 zwingend vorschreibt.
Wurden sie eingehalten?

Der damalige Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz, Rudi Geil (CDU),
sagte in der Sitzung des Landtages vom 8. September 1988, „solch ein
Unglück hätte wohl niemand für möglich gehalten“ (siehe Protokoll Seite
2310). Wusste er wirklich nichts? Haben ihm die Warnungen aus den
Kommunalparlamenten des Landes, von Mitgliedern des Landtages, von
evangelischer Kirche, Gewerkschaften und Friedensbewegung nicht erreicht?

Der Kreistag des Landkreises Kaiserslautern hatte einstimmig Landrat
Tartter beauftragt, „mit den zuständigen Dienststellen der
US-Streitkräfte Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, den für 1988
geplanten Flugtag auf der Air Base Ramstein ausfallen zulassen“. Aus der
Antragsbegründung, “Gefährdung in unserem dichtbesiedelten Raum“.

Entsprechende Beschlüsse wurden auch von den umliegenden Gemeinden und
der Stadt Kaiserslautern gefasst. Die Reaktion der Landesregierung war:
Besorgnis über den latenten „Antiamerikanismus“.

Die Versorgung der Opfer zeigte, dass der Katastrophenschutz nicht so
funktionierte, wie das notwendig gewesen wäre. Dies soll nicht als
Kritik an den zahlreichen Helfern ver­standen sein, sondern an die für
die Organisation verantwortlichen, allen voran, an den Landrat Tartter.

Wer nun glaubt, dass Flugtage in der BRD damit passee sind, hat sich
geirrt. Am 25.10.1990 teilte das Bundesverteidigungsministerium mit,
dass bei „Tagen der offenen Tür“ die Bevölkerung über die fliegenden
Verbände der Bundeswehr und ihren Auftrag im Bündnis informiert und das
Verständnis für die Luftwaffe gefördert werden soll. Diese Äußerung
zeigt die menschenverachtende Haltung von Militärs. Gerade zwei Jahre
nach der schrecklichen Katastrophe von Ramstein wird die Grundlage für
eine neue gelegt. Was sind schon (die offiziellen) 70 Totenund über 400
Verletzten!

Wie der frühere Inspekteur der Luftwaffe, General a.D. Steinhoff, Leiter
der sogenannten „Steinhoff-Kommission“ , ausführte, ist die Bundeswehr
auf diese Form der „Akzeptanz“ durch die Öffentlichkeit angewiesen.

Auf neue Richtlinien hat man in Ramstein schon seit Ende Oktober 1989
gewartet. Es wurde damit gerechnet, dass in Ramstein oder anderswo
wieder Flugtage durchgeführt werden. Über den Weg der Faszination durch
Technik soll die Bevölkerung von der Not­wendigkeit der unnötigen
Rüstungsausgaben überzeugt werden.

*Die Kritik lautete daher damals wie heute:*

diese Kriegsmaschinerie tötet auch im "Frieden", konkret geht es um
Schäden für Mensch und Umwelt durch Fluglärm und andere Emissionen sowie
Boden- und Wasser­ver­seuchungen um diese und andere Airbases und vor
allem die Kriegseinsätze die von hier aus mit organisiert, gestartet und
am Laufen gehalten werden.

Damals war zudem die Diskussion um Abrüstung, die nach 1989 auch unter
dem Titel 'Friedensdividene' geführt wurde leider nur leeres Gerede ,
Aufrüstung und Kriegsflughäfen und die Werbung dafür blieben.


D*ie Aktionsgemeinschaft „Wider das Vergessen“ forderte nach der
Katastrophe in Ramstein: *

*Nie mehr Flugtage in Ramstein und anderswo!*

Tatsächlich haben auch keine Flugtage mehr stattgefunden.

*Die Jury des Hearings hat folgendes festgestellt: *

 1.

    Die Vorkehrungsmaßnahmen des Katastrophenschutzes, sowohl was die
    Bereitstellung von medizinischem Personal wie Gerät betrifft, wie
    auch der technische Bereich war unzulänglich. Aber auch bei besten
    Vorkehrungen wäre die Katastrophe nicht beherrschbar gewesen.

 2.

    Entgegen der Behauptungen der Landesregierung und des Bundesamtes
    für Verteidigungslasten wird die Hilfe und Entschädigung für die
    Opfer und Hinter­bliebenen sehr bürokratisch und in einzelnen Fällen
    bis heute nicht geleistet. Es gibt Fälle, in denen die
    Hinterbliebenen von Todesopfern nicht einmal eine erste Reaktion,
    weder von deutschen, noch von den zuständigen amerikanischen
    Stellen, erhalten haben. Mit entsetzen hören wir, dass an einer
    Leiche ohne vorherige Einwilligung der Angehörigen, Teile entnommen
    wurden. Zumindest in diesem genannten Fall wurde bis heute die
    Todesursache nicht offiziell festgestellt.

 3.

    Bei der Aufklärung der Katastrophe haben die Mehrheiten in den
    Parlamenten (Landtag und Bundestag) die Arbeit von
    Ausschussmitgliedern mit Formalien ständig beeinflusst und
    behindert. Es steht eindeutig fest, dass die Zuständigkeit bei den
    bundesrepublikanischen Stellen lag. Jedes Abschieben auf angebliche
    us-ameri­kanische Zuständigkeiten ist ein Alibi. Auf diese Weise
    sollten die eigentlichen Verantwortlichkeiten vertuscht werden, um
    Konsequenzen zu verhindern.

 4.

    Grund für solche Flugtage ist die Erhaltung der Akzeptanz für
    Tiefflüge beider Bevölkerung. Diese sind notwendiger Bestandteil der
    NATO-Strategie der „flexible response“. Bei der Werbeveranstaltung
    wurden Tote und Verletzte in Kauf genommen.

Wenn zukünftige Katastrophen vermieden werden sollen, müssen
militärische Tiefflüge und Flugshows sofort eingestellt und die dahinter
stehende offensive Strategie abgeschafft werden.

Ramstein, 13. August 1989 – Jury-Spruch beim Hearing


Der Text stammt teilweise aus einem Vorwort der „Airbase Ramstein. Ein
Jahr danach - Dokumentation zum Hearing 13. August 1989“ von der
„Aktionsgemeinschaft wider das Vergessen – Gegen militärische und
ökologische Belastung durch die Airbase Ramstein“ und wurde leicht
modifiziert.

28.8.2018

/Kalle Kress/(ehem. Mitglied der Aktionsgemeinschaft „Wider das Vergessen“ -

heute Mitglied im Kampagnenrat "Krieg beginnt hier")

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