[imc-presse] [attac-d-presse] Studie: 1/3 der EU-Finanzregulierer mit Verbindungen zur Finanzindustrie

Attac-Pressestelle presse at attac.de
Wed Apr 18 10:52:21 CEST 2018


Pressemitteilung
Attac Deutschland
Frankfurt am Main, 18. April 2018



* Studie: Ein Drittel der EU-Finanzregulierer mit Verbindungen zur
Finanzindustrie


* Strenge Regeln gegen Interessenskonflikte und Abkühlungsphasen nötig


Zehn Jahre nach Beginn der Finanzkrise rotiert die Drehtüre zwischen der
Finanzindustrie und der für ihre Regulierung zuständigen EU-Behörde
munter weiter: Ein Drittel der führenden Beamten, die zwischen 2008 und
2017 in der Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen
und Kapitalmarktunion (GD FISMA) arbeiteten, kamen entweder aus der
Finanzindustrie oder wechselten nach ihrem Ausscheiden dorthin. Dies
zeigt eine neue Studie des Politikwissenschaftlers Yiorgos Vassalos und
der Brüsseler NGO Corporate Europe Observatory (CEO) (1):

  * Vier von fünf ehemaligen Direktoren der GD FISMA arbeiteten danach
    für Unternehmen, die sie einst beaufsichtigten, oder für
    Lobbyfirmen, die diese Unternehmen vertreten. Jonathan Faull
    beispielsweise, Direktor von 2010 bis 2015, trat nach seinem
    Ausscheiden aus der Kommission im Jahr 2017 in die internationale
    PR- und Lobby-Agentur Brunswick ein.

  * Sechs von 27 Abteilungsleitern, die zwischen 2008 und 2017 für
    Finanzregulierung zuständig waren, und sieben von 22
    stellvertretenden Abteilungsleitern haben vor ihrer Zeit in der GD
    FSIMA für die Finanzindustrie gearbeitet.

  * Der frühere Abteilungsleiter Miguel de la Mano wechselte zu Compass
    Lexecon, einer Tochtergesellschaft der auf Finanzregulierung
    spezialisierten FTI Consulting. Zu ihren Kunden zählen die Deutsche
    Börse, die Bank of New York Mellon, Vanguard, Citadel, Mastercard
    und die Managed Funds Association.

  * EU-Kommissare gehen mit schlechtem Beispiel voran: Zwei der drei
    zwischen 2008 und 2017 für Finanzregulierung zuständigen
    EU-Kommissare arbeiteten danach für den Finanzsektor. Damit wird den
    Beamten der GD FISMA signalisiert, dass die Drehtüre zwischen
    Politik und Konzernen ganz normal, wenn nicht sogar typisch für eine
    erfolgreiche Karriere ist. (2)

„Die Drehtür zwischen der GD FISMA und der Finanzindustrie zeigt, dass
vielen EU-Spitzenbeamten die nötige Distanz zu jenen Konzernen fehlt,
die sie eigentlich regulieren sollten. Die Verbindungen gehen dabei weit
über Vertrauen in die Expertise der Branche hinaus“, sagt Yiorgos
Vassalos, Co-Autor der Studie. "Das Risiko, dass persönliche
Karriereaussichten eine angemessene Regulierung gegen die Interessen der
Branche verhindern, ist groß. Gleichzeitig trägt die GD FISMA durch die
häufige Einstellung von Personal aus dem Finanzsektor zu einer
unternehmensfreundlichen Ausrichtung bei.“

Margarida Silva von CEO: "Die Vorschriften für potentielle
Interessenkonflikte müssen dringend verschärft werden. Doch die
Kommission will immer noch nicht erkennen, dass es sich beim
Drehtüreffekt um ein systemisches Problem handelt. Die Ansicht, dass der
Wechsel von einer Aufsichtsbehörde in die regulierte Branche ein ganz
normaler Karriereschritt sei, muss endlich der Vergangenheit angehören.“

CEO und Attac fordern strenge Regeln für Interessenkonflikte und
Abkühlungszeiten mit Sanktionen, die verhindern, dass die Regulierer mit
jenen Unternehmen sympathisieren, die sie eigentlich regulieren sollen.

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(1) Siehe:
https://corporateeurope.org/power-lobbies-revolving-doors/2018/04/financial-regulators-and-private-sector-permanent-revolving
Das oben genannte Drittel des gesamten Spitzenpersonals der GD FISMA
bezieht sich auf 19 von 61 Spitzenbeamten, die zwischen 2008 und 2017
tätig waren: 12 Generaldirektoren, stellvertretende Generaldirektoren
und Finanzdirektoren, 27 Referatsleiter und 22 stellvertretende
Referatsleiter. Die Studie hat auch drei für die Finanzregulierung
zuständige Kommissionsmitglieder und sechs Einzelfälle von Politikern
der GD FISMA untersucht. 29 von insgesamt 70 Personen vertreten nun die
Interessen der Finanzindustrie oder haben sie vertreten.

(2) Der Ire Charlie McCreevy ermöglichte bis 2007 als Kommissar für
Binnenmarkt und Dienstleistungen die De-Deregeluierung von verbrieften
und derivativen Finanzprodukten, die mit Schuld an der Finanzkrise
waren. 2010 wurde sein direkter Wechsels zur von ihm mitgegründeten Bank
NBNK noch von der Kommission verhindert. Eine Woche nach Ende der
„Abkühlungsphase“ trat er in den Derivatehandel der Bank New York Mellon
ein. Später arbeitete er für Finanzunternehmen wie Sentenial, World
Spreads und Celsius Funds.

Der Brite Jonathan Hill war Lobbyist, bevor er 2014 EU-Kommissar für
Finanzen wurde. Er wechselte nach der Brexit-Abstimmung 2016 zu
Freshfields, einer Anwaltskanzlei, die unter anderem die
EU-Institutionen für Lloyds, die London Stock Exchange und die Futures
Industry Association vertritt.

Weitere Fälle aus anderen Ressorts wie der Wechsel von Nelly Kroes zur
Bank of America/Merril Lynch oder Jose Manuel Barrosos Wechsel zu
Goldman Sachs, zeigen wie verbreitet das Drehtürproblem auf der höchsten
politischen Führungsebene der EU ist.

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Für Rückfragen:

* Yiorgos Vassalos, Co-Autor der Studie (Englisch, Griechisch), über:
Attac-Pressestelle, Tel. 069 900 281 42

* Alfred Eibl, Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0160 9078 0266


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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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