[imc-presse] AG Heilbronn: Wer seine Grundrechte verteidigt, fliegt raus

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Thu Apr 12 10:34:07 CEST 2018


 Pressemitteilung 11.04.2018

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Serie von Prozessen gegen die Castor-Proteste 2017 kam es heute zu
absurden Fehlern des Heilbronner Amtsgericht, die unseres Erachtens Ausdruck
einer erheblichen Voreingenommenheit des Gerichts sind.
Gerade einmal 5 Minuten Dauer waren für den Prozess angesetzt worden, obwohl
sogar 6 Zeugen angehört werden sollten, was man wiederum der Beschuldigten
verschwiegen hatte. Was dann noch geschah, lesen Sie bitte in der beigefügten PM.
Zur vertieften Information sind die Prozess-Texte der Beschuldigten hier verfügbar:
http://eichhoernchen.ouvaton.org/docs/rep/neckar-castor/2018_Einlassung.pdf
http://eichhoernchen.ouvaton.org/docs/rep/neckar-castor/2018_Beanstandung-Rechtliches-Gehoer.pdf
(Der Antrag durfte erst gar nicht gestellt werden...)

Mit freundlichen Grüßen

Franz Wagner
für das Bündnis Neckar castorfrei


Ihre Ansprechpartner:

Franz Wagner, presse at atomerbe.de, Tel. 0151-51 93 41 95
Cécile Lecomte ("Eichhörnchen"), Tel. 0170-60 28 362

Castor-Protest wird kriminalisiert

Heilbronn.  Am heutigen Mittwoch, den 11.04.2018 wurde in einem kafkaesken Prozess ein Urteil gesprochen, dessen Willkür kaum zu überbieten ist. In einem Verfahren gegen eine Umweltaktivistin, die an Protestaktionen gegen die Castor-Transporte von Obrigheim nach Neckarwestheim teilnahm, wurden die grundrechtlich geschützten Rechte von Beschuldigten vor Gericht von Richter Michael Reißer eklatant missachtet. Es war der Aktivistin nicht möglich, sich zu verteidigen. Nachdem sie und die Zuschauer*innen mehrmals aus dem Gerichtssaal entfernt wurden, führte der Richter den Prozess ohne die Beschuldigte fort und verurteilte sie schließlich am Ende zu Geldbußen.

Bereits am Morgen fand eine Mahnwache von Atomkraftgegner*innen vor dem Amtsgericht Heilbronn statt. Während unten am Boden Sprüche gegen Atomkraft gezeigt wurden, spannten Kletter*innen zwischen zwei Bäumen ein Banner gegen Atomtransporte. Die Situation vor dem Gericht war entspannt.

Im Gerichtssaal verhielt sich die Situation jedoch völlig anders. Wie im Folgenden dargestellt, wurden die gesetzlichen Bestimmungen zur Führung eines Gerichtsprozesses (Strafprozessordnung, kurz StPO), in der u.a. die Rechte von Beschuldigten festgehalten sind, schlichtweg ignoriert.

Die Atomkraftgegnerin musste sich vor Gericht völlig alleine verteidigen. Auf ihren mündlichen Antrag auf Zulassung eines Verteidigers entgegnete der Richter: „Sie bekommen in dieser Verhandlung keinen Verteidiger“. Ihren schriftlichen begründeten Antrag nahm der Richter erst recht nicht entgegen. Dies steht in Gegensatz zu § 137 StPO (Strafprozessordnung):

„Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen.“

Außerdem wurden vom Richter Zeugen geladen, ohne dies der Beschuldigten vorher bekannt zu geben. Dadurch war eine Vorbereitung auf die Vernehmung der Zeugen nicht möglich. Die Beschuldigte hat erst während des Prozesses erfahren, dass Zeugen geladen sind und welche dies sind. Dies steht im Gegensatz zu § 222 StPO:

„Das Gericht hat die geladenen Zeugen und Sachverständigen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben.“

Unter anderem aufgrund dieser Fehler hat die Beschuldigte versucht, die Leitung der Verhandlung durch den Vorsitzenden (Richter) zu beanstanden. Dies steht ihr nach § 238 StPO zu:

„Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.“

Ihre Beanstandung durfte sie aber nicht einbringen. Der Richter ging sogar soweit, die schriftlich formulierten Anträge nicht zu lesen, sondern ungesehen auf den Tisch der Beschuldigten zurückzulegen. Als diese versuchte, den Antrag mündlich zu verlesen, um damit ihre Rechte vor Gericht durchzusetzen, wurde sie des Saals verwiesen und schließlich von der Polizei mit Zwang aus dem Gerichtsgebäude gebracht. Aufgrund von Unmutsbekundungen seitens der Zuschauer*innen über diese Rechtsbrüche durch das Gericht, wurden auch diese durch eine Spezialeinheit der Polizei aus dem Gerichtsgebäude gedrängt. Die Verhandlung ging ohne Beschuldigte und ohne Wahrung der Öffentlichkeit weiter. Die Zeugen wurden in Abwesenheit der Beschuldigten vernommen. Die Aktivistin durfte danach in den Gerichtssaal wieder hinein. Sie durfte aber  weiterhin keine Anträge stellen. Sie durfte nicht ein mal einen Befangenheitsantrag einreichen. Die Aktivistin quittierte schließlich die Urteilsverkündung mit Antiatomliedern und wurde erneut aus dem Saal entfernt.

Diese rechtswidrige Art der Prozessführung seitens Richter Reißer schockierte sowohl die beschuldigte Aktivistin als auch anwesenden Zuschauer*innen: „Es kann nicht sein, dass in einem  Rechtsstaat in Gerichtsprozessen die Grundrechte nicht gewahrt werden. Wir werden und können uns das nicht gefallen lassen. Der Widerstand wird weiter gehen, ob auf der Straße, dem Wasser oder im Gerichtsgebäude“, sagte Julian Smaluhn, der der Verhandlung beiwohnte.
Die Aktivistin hat umgehend Rechtsmittel gegen das ergangenen Urteil (200 Euro Bußgeld) eingelegt.

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