[imc-presse] PM des RAV: Verteidigt das Demonstrationsrecht! Zu den bundesweiten Durchsuchungen der Polizei Hamburg am 05.12.17

RAV e.V. gs at rav.de
Wed Dec 6 12:35:37 CET 2017


Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

liebe RAV-Mitglieder, Freundinnen und Freunde,

 

folgende Pressemitteilung des RAV von heute übersende ich mit der Bitte um
Kenntnisnahme und Verbreitung in Ihren/euren Medien und Netzwerken:

 

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Pressemitteilung Nr. 6 vom 6. Dezember 2017

 

Verteidigt das Demonstrationsrecht!

Zu den bundesweiten Durchsuchungen der Polizei Hamburg – SoKo ›Schwarzer
Block‹ am 5. Dezember 2017

 

Wenn der Polizeipräsident der Stadt Hamburg unter Verletzung der Grundsätze
der Unschuldsvermutung und der Gewaltenteilung Verdächtige öffentlich als
»bekannte Täter« betitelt, ist dies rechtsstaats- und menschenrechtswidrig
und geeignet, eine Atmosphäre des Prangers und der Vorverurteilung zu
schaffen.

Aktuell führe die Soko ›Schwarzer Block‹ 3.000 Ermittlungsverfahren, mehrere
hundert gegen namentlich bekannte Beschuldigte, die Zahl steige
kontinuierlich an, erklärte gestern der Hamburger Polizeipräsident Meyer auf
einer Pressekonferenz, von einem »in seiner Gesamtheit gewalttätig
handelnden Mob« war die Rede. Die inzwischen bekannten und in öffentlicher
Hauptverhandlung vor Gericht gezeigten Videos indes sprechen dafür, dass es
sich hierbei um eine Falschbehauptung handelt.

Das erste von insgesamt 73 ›Rondenbarg‹-Verfahren wird seit Mitte Oktober
2017 gegen den Italiener Fabio V. verhandelt. Sechs Prozesstage haben zu
keinen Erkenntnissen über die Verantwortlichkeit benennbarer Personen für
mehrere Würfe mit Steinen, Böllern und ›Bengalos‹ (Pyrotechnik) geführt, die
aus den ersten Reihen der ca. 200 Personen zählenden Demonstration erfolgt
sein sollen.

Die SoKo ›Schwarzer Block‹ soll aus 165 Mitarbeitern bestehen, davon 63 aus
dem Bund bzw. aus anderen Ländern. Der Polizeipräsident trug dazu vor, »nur
mit der gemeinsamen Kraftanstrengung« könne und werde es gelingen,
Hintergründe und Strukturen von »bekannten Tätern« offenzulegen und damit
»ein bisschen näher an den Kern der autonomen Szene heranzukommen«. Ein
Recherchetool sei weitestgehend fertiggestellt worden.

 

Der RAV stellt dazu fest:

 

Die nunmehr erfolgten Durchsuchungen sind offensichtlicher Vorwand zum
Ausspionieren linker Zusammenhänge. Die der Durchsuchung zu Grunde gelegten
Beschlüsse sind bereits vor zwei Monaten erlassen worden, die vorgeworfenen
Taten stammen von Juli 2017. Hier wird vorrangig Skandalisierung betrieben,
mit dem Ziel, das kritisierte, gewalttätige Verhalten der Polizei gegenüber
Demonstrierenden zu rechtfertigen. Die Proteste sollen durch die Behauptung
einer zentral gesteuerten Militanz diskreditiert werden.

Wenn weiter suggeriert wird, man werde mit dem Mittel der
Wohnungsdurchsuchung näher an den »Kern der autonomen Szene« herankommen,
und wenn man die Zahl von 3.000 Ermittlungsverfahren bedenkt, wird deutlich,
dass sich diese Verdachtskonstruktion und Maßnahmen als ein Schlag gegen das
Demonstrationsrecht erweisen. Das erhellt sich auch aus der Ankündigung der
Anwendung eines ›Recherchetools‹, das ab Dezember 2017 die
Öffentlichkeitsfahndung ermöglichen soll.

Nach Aussagen der Hamburger Polizei wurden während der drei Gipfeltage
25.000 Videodateien mit dem Mittel der Gesichtserkennung gefertigt, was die
Möglichkeit der strikt verfassungswidrigen flächendeckenden Katalogisierung
demonstrierender Gipfelgegner*innen eröffnet. Der RAV und der Anwaltliche
Notdienst (AND) haben bereits während der Gipfeltage das exzessive
polizeiliche Abfotografieren und Videografieren ganzer Demonstrationszüge
kritisiert und auf die alle staatliche Gewalt bindenden Vorgaben des
Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 65,1 ff.)
hingewiesen:

 

»Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung [
]
behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können,
wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner [
] Grundrechte verzichten.
Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des einzelnen
beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl«.

 

Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, Mitglied des Bundesvorstands des RAV und
während G20-Gipfels Pressesprecherin des Anwaltlichen Notdienstes erklärt
dazu:

 

»Wem an dem Erhalt der Demokratie liegt, sollte durch die Erfahrungen
während des G20-Gipfels gewarnt sein. Im Juli herrschte in Hamburg
polizeilicher Ausnahmezustand mit einer flächendeckenden Aushebelung von
Grundrechten für Gipfelgegner. Die Eskalationsstrategie eines Herrn Dudde
war provokant, die Folgen bedacht und offenbar gewollt. Die nun erfolgte
pauschale Ächtung von Demonstranten als ›Mob‹ ist maßlos. Und der
wiederholte Ruf nach dem harten Staat hat bisher nur zu weniger Demokratie,
nicht aber Lösungen geführt«.

 

Kontakt: Rechtsanwältin Gabriele Heinecke ist über die Geschäftsstelle
(030.417 235 55) zu erreichen.

 

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Mit freundlichen Grüßen

 

Ursula Groos

- Geschäftsführerin -

 

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.

Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin

Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57

mailto:kontakt at rav.de | www.rav.de

VR 25942 B, Nr. 1, AG Charlottenburg, Bln

Mo - Fr 10:00 - 16:00

 

 

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