[imc-presse] PMStrafanzeige gegen Erdogan
Martin Dolzer
martin.dolzer at linksfraktion-hamburg.de
Mon Jun 27 11:35:27 CEST 2016
Hamburg, den 27.06.2016
Pressemitteilung
Strafanzeige gegen R.T. Erdogan wegen Kriegsverbrechen
„Gemeinsam mit Bundestags- und Landtagsabgeordneten, RechtsanwältInnen,
ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und weiteren Einzelpersonen, darunter
auch Angehörigen von Opfern, und verschiedenen zivilgesellschaftlichen
Organisationen habe ich den Staatspräsidenten der Republik Türkei,
Recep Tayip Erdogan, sowie weitere verantwortliche Minister,
Verantwortliche aus Militär und Polizei sowie die zuständigen
Gouverneure wegen in den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei,
insbesondere in Cizre, begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen
die Menschlichkeit gemäß dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) bei
der Bundesanwaltschaft angezeigt“, erklärt Martin Dolzer, Abgeordneter
der Hamburgischen Bürgerschaft.
Ein Schwerpunkt der Anzeige ist der Tod von mindestens 178 Menschen, die
während einer Ausgangssperre vom 14. Dezember 2015 bis 02. März 2016 in
Cizre in 3 Kellerräumen Schutz vor Angriffen des türkischen Militärs
mit Artillerie, Panzern und weiteren schweren Waffen Schutz gesucht
hatten. Sie teilten ihre Lage, dass die Keller weiter angegriffen werden
und viele Menschen dringend ärztliche Hilfe benötigen sowie einen großen
Teil ihrer Namen per Telefon Abgeordneten, Presse und Amnesty
International mit. Amnesty International startete eine Urgent Action.
Dennoch wurden keine Krankenwagen durchgelassen, der Kontakt zu den
Personen brach ab und aus den Kellern wurden bisher 178 größtenteils
verbrannte Leichen, geborgen. Augenzeugen berichten, dass
„Sicherheitskräfte“ Benzin in einen der Keller geschüttet hatten und
dieses dann anzündeten. 9 ZivilistInnen, die die Keller verließen und
sich Soldaten gegenüber als unbewaffnete ZivilistInnen (zum Teil
verletzt) zu erkennen gaben, wurden nach dem Verlassen eines weiteren
Kellers ermordet und anschließend verbrannt.
„Das Handeln der türkischen Regierung ist momentan insgesamt darauf
ausgerichtet eine kollektive Ohnmacht zu erzeugen. In Folterschulen
werden türkische Spezialeinheiten in Bezug auf individuelle Folter
darauf trainiert Dilemmata zu schaffen. Egal was die/der Gefolterte auch
tut, es soll als falsch und die Gesamtsituation als ausweglos begriffen
werden, um den politischen Willen zu brechen. Diese menschenverachtende
Strategie wird nun gegen die gesamte kurdische Bevölkerung angewandt.
Egal was die Menschen tun, um ihre Rechte und die Menschenrechte
einzufordern oder auch nur das Recht auf Leben zu schützen, wird ihnen
signalisiert, dass es erfolglos ist. Die legalen politischen Parteien
werden verboten, moderate Menschenrechtsanwälte wie Tahir Elci
extralegal exekutiert, ein begonnener Friedensprozess aufgrund von
Machtstreben unterbrochen. Per Lautsprecherdurchsagen wird die gesamte
kurdische Bevölkerung von Soldaten erniedrigt, Verletzte und Menschen,
die sich in Gebieten des „Ausnahmezustands“ ergeben oder Lebensmittel
holen, werden erschossen, die gesamte Lebensgrundlage zerstört. Die
Menschen bezeichnen die jetzige staatliche Gewalt zu Recht als
wesentlich gravierender und umfassender als in den 1990er Jahren und
sprechen von den Anfängen eines geplanten Genozids.“ kommentiert Dolzer.
„Vor diesem Hintergrund sehen es die Anzeigenden als ihre ethische
Verantwortung, das menschenverachtende Vorgehen der Regierung Erdogan
anzuzeigen. Das bundesdeutsche Völkerstrafgesetzbuch gibt dazu die
Möglichkeit. Die beschriebene Strategie der gezielten Vernichtung der
KurdInnen und der Destabilisierung der gesamten Region darf nicht
hingenommen werden“, so Dolzer. „Eigentlich wäre jetzt ein guter
Zeitpunkt mit einer Politik der kolonialistisch bedingten Unterwerfung,
Assimilation und Vernichtung zu brechen. Die Idee des respektvollen
Zusammenlebens aller Ethnien, Religions- und Bevölkerungsgruppen, wie
sie in Rojava schrittweise entwickelt wird, wäre ein Ausweg. Um dies zu
ermöglichen ist allerdings ein Umdenken aller beteiligten regionalen und
internationalen Akteure notwendig. Nicht mehr geostrategische sondern
menschenrechtliche Aspekte und das Völkerrecht müssten dafür im
Mittelpunkt der jeweiligen Politiken stehen. In diesem Rahmen wäre ein
wichtiges internationales Signal, die Selbstverwaltungsstrukturen in
Rojava anzuerkennen und die PKK zu entkriminali-sieren. Zudem wäre es
nötig, endlich politischen und juristischen Druck auf die Regierung
Erdogan zu entfalten, damit diese ihre destruktive und
menschenfeindliche Politik beendet.
Unendliches kollektives und individuelles Leid könnte auf diese Weise
beendet und aufgearbeitet werden. Ein Prozess der Konfliktheilung könnte
schrittweise umgesetzt werden. Wir hoffen, dass diese Strafanzeige einen
Teil dazu beitragen kann. Dazu wäre natürlich wünschenswert, dass die
Bundesanwaltschaft (BAW) die Anzeige zur Klage erhebt,“ so der
Abgeordnete.
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