[imc-presse] PRESS RELEASE: Nestlé - Schweizer Justiz verweigert Gerechtigkeit/ Swiss Judiciary declines access to justice

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Fri Aug 1 15:15:03 CEST 2014


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PRESSEMITTEILUNG

 

 

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Schweizer Justiz verweigert Gerechtigkeit

Die Verantwortung des Unternehmens Nestlé für die Ermordung des
kolumbianischen Sinaltrainal-Gewerkschafters und Nestlé-Arbeiters Luciano
Romero bleibt ungeklärt.

 

Lausanne / Berlin / Bogotá, 1. August 2014 Das Schweizer Bundesgericht hat
die Beschwerde der Witwe des ermordeten kolumbianischen Gewerkschafters von
Sinaltrainal und Nestlé-Arbeiters Luciano Romero mit Urteil vom 21. Juli
2014 (
<http://www.bger.ch/index/juridiction/jurisdiction-inherit-template/jurisdic
tion-recht/jurisdiction-recht-urteile2000neu.htm> veröffentlicht am 31.
Juli) abgelehnt. Diese hatte sich gegen die Einstellung der Ermittlungen zur
Verantwortlichkeit von Nestlé für die Ermordung ihres Ehemannes gewehrt. Das
Bundesgericht bestätigte die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft und des
Kantonalgerichts, dass die Straftaten verjährt seien. Damit wich es von der
Interpretation des Bundesrates und weiten Teilen der Literatur ab, dass es
sich um ein Dauerdelikt handelt – das mithin im vorliegenden Fall nicht
verjährt wäre. Das Bundesgericht beendete das Verfahren aus formellen
Gründen. Daher bleibt die eigentliche Frage nach der Verantwortlichkeit des
Unternehmens Nestlé für die Ermordung seines Arbeiters weiterhin ungeklärt.
Der kolumbianische Anwalt der Witwe, Leonardo Jaimes, fordert: „Es muss
möglich sein, die Verantwortung von transnationalen Unternehmen wie Nestlé
durch effektive Mechanismen festzustellen. In Kolumbien herrscht genug
Straflosigkeit. Wir hätten uns von der Schweiz mehr Gerechtigkeit erhofft
und ein Zeichen an die kolumbianische Justiz, damit diese gegen die
Nestlé-Manager in Kolumbien ermittelt.“

 

Dieses paradigmatische Verfahren zur Ermordung von Luciano Romero warf zum
ersten Mal in der Schweiz die Frage der Unternehmensstrafbarkeit nach Art.
102 StGB in Fällen von Menschenrechtsverletzungen auf. Immerhin
konkretisiert das Bundesgericht die Anforderungen an Unternehmen. Es hält
fest, dass Unternehmen unter anderem für „eine klare Beschreibung und
Verteilung von Zuständigkeiten und Verantwortungen“ sowie „konkrete und
namentliche Arbeitspläne innerhalb des Unternehmens“ sorgen müssen. Ob
Nestlé diese Pflicht erfüllt hat, bleibt aufgrund der ablehnenden
Entscheidung dennoch offen und unermittelt. „Die Schweiz muss ihren
internationalen Verpflichtungen zur Aufklärung von solchen Sachverhalten
nachkommen und klare Maßstäbe für die unternehmerischen Pflichten des
menschenrechtlichen Risikomanagements setzen“, verlangt Wolfgang Kaleck,
Generalsekretär des ECCHR.

 

Mit dieser einschränkenden Entscheidung des Bundesgerichts besteht nun
Reformbedarf im Hinblick auf die Verjährungsfristen. Sonst profitieren in
der Praxis Unternehmen mit komplexen organisatorischen Strukturen von langen
Ermittlungen – wie in diesem Präzedenzfall deutlich wird. „Das Ergebnis
zeigt, dass die Schweizer Justiz bislang Opfern von schweren
Menschenrechtsverletzungen, die durch Unternehmen begangen wurden, keinen
Zugang zu Recht gewährt. Daher sollten die Gesetze reformiert werden, um
dies zu ermöglichen“, sagt der Schweizer Anwalt der Witwe, Marcel Bosonnet.

 

In Anbetracht der fortdauernden Angriffe auf Gewerkschafter in Kolumbien
wäre es ein wichtiges Signal gewesen, die Verantwortung des Unternehmens
klarzustellen. Nestlé muss in solch einer Konfliktzone für die Sicherheit
seiner Arbeiter sorgen und darf die Gefahrensituation der Gewerkschafter
nicht verschärfen. Dies ergibt sich aus seinen Garanten- und
Sorgfaltspflichten, die durch internationale Richtlinien der UNO bzw. der
OECD bezüglich der menschenrechtlichen Verpflichtungen von Unternehmen näher
ausgestaltet werden. Die Realität ist eine andere: Gewerkschafter in
Kolumbien sind permanent Todesdrohungen und Übergriffen ausgesetzt. Bislang
wurden 15 Sinaltrainal-Gewerkschafter, die für Nestlé arbeiteten, ermordet.
Zuletzt wurde im November 2013 ein Nestlé-Arbeiter während eines
Hungerstreiks zur Durchsetzung von Arbeitsrechten sowie der
Gewerkschaftsfreiheit Sinaltrainals erschossen. Im Juni 2014 fand ein
Attentat auf den Vizepräsidenten der Gewerkschaft Sinaltrainal der Sektion
Bugalagrande statt. Wie im Falle Luciano Romeros waren der Ermordung im
November ebenfalls Stigmatisierungen durch das kolumbianische
Nestlé-Management vorhergegangen, die die Konzernzentrale in der Schweiz
nicht unterband. Der Präsident der Gewerkschaft Sinaltrainal, Javier Correa,
meint, „es muss Instanzen geben, an die wir uns bei der Suche nach
Gerechtigkeit wenden können. Diese Entscheidung festigt die Straflosigkeit
und verstärkt die fortdauernde Repression gegen unsere Gewerkschaftsarbeit.
Es ist die Pflicht der Justiz, ihre Arbeit zu machen und die
Verantwortlichkeit von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen
festzustellen.“

 

ECCHR, die kolumbianische Gewerkschaft Sinaltrainal sowie die Schweizer und
kolumbianischen Anwälte der Witwe prüfen nun weitere rechtliche Schritte,
wie z.B. eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Der Fall Luciano Romero als ein
<http://www.ecchr.de/internationaler-strafgerichtshof.html> Beispiel der
systematischen Verfolgung von Gewerkschaftern in Kolumbien liegt zudem dem
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vor. In kolumbianischen
Strafverfahren wurde die Tat ebenfalls als
<http://sinaltrainal.org/index.php/empresas20/nestl%C3%A919/3848-declaran-cr
imen-de-lesa-humanidad-asesinato-de-sindicalista-en-valledupar> Verbrechen
gegen die Menschlichkeit qualifiziert.

 

Weitere Informationen unter: www.ecchr.de/nestle.html

 

 

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:

ECCHR: Tel.: +49 (0)30- 4004 8590, Mail: info at ecchr.eu

Schweizer Anwalt der Witwe: Marcel Bosonnet, Tel.: +41 (0)44 261 90 68,
Mobile: +41 (0)76 376 49 12, Mail:  <mailto:bosonnet at bluewin.ch>
bosonnet at bluewin.ch

Kolumbianische Gewerkschaft Sinaltrainal: Präsident Javier Correa,
javier at sinaltrainal.org

 

 

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