[imc-presse] PM_Erneute Massenverhaftung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Türkei

RAV e.V. gs at rav.de
Fri Jan 25 14:21:30 CET 2013


Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

 

hier folgend und im Anhang senden wir Ihnen eine gemeinsame Pressemitteilung
des DAV und des RAV zu den erneuten Verhaftungen von Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälten in der Türkei.

 

Wir möchten Sie bitten, die Mitteilung zu veröffentlichen und
weiterzuleiten.

 

Mit bestem Dank und freundlichem Gruß

 

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle

 

 

***

Pressemitteilung

 

Erneute Massenverhaftung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der
Türkei

RAV und DAV sehen anwaltliche Unabhängigkeit massiv bedroht

 

Die türkische Polizei hat am 18. Januar 2013 bei einer Operation gegen die
Revolutionäre Volksbefreiungs-Front (DHKP/C) in mehreren Städten insgesamt
85 Verdächtige, darunter 12 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte,
festgenommen. Am 20. Januar 2013 hat die Staatsanwaltschaft begonnen, die
Verdächtigen zu vernehmen, und am 21. Januar 2013 wurden gegen 9 von ihnen
Haftbefehle erlassen. Laut den Medien wird den Verdächtigen vorgeworfen,
Verbindungen zu der illegalen Vereinigung DHKP/C zu haben. Die Razzien
fanden in den drei Großstädten Istanbul, Ankara, Izmir und in vier weiteren
Städten statt.

 

Unter den verhafteten Anwältinnen und Anwälten sind Mitglieder des größten
Anwaltsvereins des Landes “Ça?da? Hukukçular Derne?i“ (Zeitgenössische
Juristenvereinigung). Bei der Durchsuchung des Vereinsgebäudes war kein
Staatsanwalt oder Vertreter der Rechtsanwaltskammer anwesend, obwohl dies
gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Zeitgenössische Juristenvereinigung hat
aus Protest öffentlich gegen diese Maßnahmen demonstriert und in einer
Presseerklärung auf die Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen
Voraussetzungen hingewiesen sowie ein rechtsstaatliches Vorgehen bei
Durchsuchungen angemahnt. Der Verein ist für die Vertretung in
Menschenrechtsverfahren bekannt, und viele seine Mitglieder vertreten auch
Kolleginnen und Kollegen, die im Rahmen der sogenannten KCK-Verfahren
inhaftiert und angeklagt sind.

 

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Republikanische Anwältinnen- und
Anwälteverein (RAV) beobachten das Vorgehen gegen die Menschenrechtsanwälte
in der Türkei unter dem Deckmantel von Anti-Terror-Gesetzen mit großer
Sorge. Die verhafteten Anwälte und Anwältinnen sind in zahlreichen
Strafverfahren mit politischem Hintergrund und in Menschenrechtsverfahren in
der Türkei und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aktiv.
DAV und RAV befürchten, dass es zukünftig  keine Anwältinnen und Anwälte
mehr geben wird, die bereit sind, in der Türkei die Opfer von
Menschenrechtsverletzungen zu vertreten und in politischen Strafverfahren zu
verteidigen.

 

Mit einer vorgestern veröffentlichten Pressemitteilung schloss sich der
Vorstand der Istanbuler Anwaltskammer der Kritik der Zeitgenössischen
Juristenvereinigung an. Der Präsident der Kammer, Dr. Ümit Kocasakal,
verurteilte die Festnahmen von Anwältinnen und Anwälten wie auch die
Durchsuchungen ihrer Büros scharf und sicherte den betroffenen Kollegen und
Kolleginnen jede notwendige Unterstützung zu. Kocasakal machte deutlich,
dass die Durchsuchungen der Anwaltsbüros und des Anwaltsvereins sowie die
Beschlagnahme von Akten zum Teil rechtswidrig gewesen seien, und dass der
Umfang der Durchsuchungen nicht zu dem Vorwurf der angeblichen
Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation passe. 

„Diese Verfahren sind ein Angriff auf die Anwaltschaft in der Türkei“ fasste
Kocasakal die Sorge der gesamten Istanbuler Anwaltskammer zusammen und
schloss: „Wir sind bereit, jeden Preis dafür zu zahlen, um den Rechtsstaat
und die Rechte der Staatsbürger zu verteidigen und zu schützen.“

 

Bereits im November 2011 war es in der Türkei zu einer Massenfestnahme von
46 überwiegend kurdischen Anwältinnen und Anwälten gekommen, von denen sich
noch heute 27 in Untersuchungshaft befinden. Dieses Verfahren wird seit
Sommer 2012 vom DAV und dem RAV vor Ort beobachtet. Weitere kurdische
Anwälte, wie der bekannte Menschrechtsverteidiger Muharrem Erbey, dem am 30.
November 2012 der Ludovic-Trarieux-Preis von Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger verliehen wurde, sind schon seit über drei
Jahren inhaftiert. Mit den Verhaftungen vom 21. Januar 2012 befinden sich
damit mindestens 37 Anwältinnen und Anwälte in der Türkei in Haft (s.
zuletzt DAV/RAV-Pressemitteilung vom 5. Nov. 2012
<http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/hauptverhandlung-in
-dem-strafverfahren-gegen-46-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelte-in-der-tu
erkei-270/page1/> )

 

DAV und RAV fordern die Einhaltung der „UN-Grundprinzipien betreffend die
Rolle der Rechtsanwälte“ vom 7. September 1990 und schließen sich der
Solidaritätserklärung der Istanbuler Anwaltskammer mit den inhaftierten
Kolleginnen und Kollegen an. Gemäß Artikel 16 der Grundprinzipien hat der
Staat sicherzustellen, dass Anwältinnen und Anwälte in der Lage sind, alle
ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder
unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen. Sie dürfen wegen Handlungen, die
mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten
im Einklang stehen, Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder
andere Sanktionen weder erleiden noch damit bedroht werden.

 

Berlin, 25.1.2013

 

 

---

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57

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