[imc-presse] Pressemitteilung: Weitere Infos zum Mord an kurdischen Aktivistinnen in Paris

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Thu Jan 10 12:42:42 CET 2013


Pressemitteilung, 10.01.2013

AKP Regierung hat die Erklärung der Morde von Paris parat

 

Ohne jegliche Untersuchungsergebnisse der französischen Behörden abzuwarten,
meinen türkische Regierungssprecher den Hintergrund des Mordes an drei
kurdischen Aktivistinnen zu kennen

 

Schon wenige Stunden nach Bekanntwerden der Ermordung von drei kurdischen
Aktivistinnen im Kurdischen Informationszentrum in Paris, stellte der
stellvertretender Vorsitzende und Sprecher der türkischen Regierungspartei
AKP, Hüseyin Celik, die Behauptung auf, dass es sich bei dem Fall wohl um
eine innerparteiliche Abrechnung der PKK handele. Wie er auf diese
Behauptung kam, bevor es von der französischen Polizei oder sonst einer
offiziellen Stelle zu einer Stellungnahme kam, ließ er offen. Dennoch
griffen zunächst die regierungsnahen Medien, später so gut wie alle
Medienorgane der Türkei, diese Erklärung auf und bildeten darauf aufbauend
ihre eigenen Verschwörungstheorien.  So behauptet die türkische Tageszeitung
Hürriyet, dass es angeblich bereits vor langer Zeit zwischen dem Mordopfer
Sakine Cansiz und dem inhaftierten PKK Vorsitzenden Abdullah Öcalan zum
Zerwürfnis gekommen sei. Geschichten wie diese wird man vermutlich in der
kommenden Zeit in den türkischen Medien zu Hauf finden. 

 

Es ist nicht das erste Mal, dass die türkischen Medien und die Vertreter der
türkischen Regierung nach Massakern an der kurdischen Bevölkerung mit
unseriösem Verhalten und Erklärungen glänzen. Beim Massaker von Roboski im
Dezember 2011, bei dem 34 kurdische Zivilisten durch Luftangriffe des
türkischen Militärs ermordet wurden, schwiegen die türkischen Medien
beispielsweise kollektiv ganze 24 Stunden, bis die Regierung offiziell zu
dem Ereignis Stellung bezog. Dieser erklärte dann, dass sich unter den
Opfern Terroristen befunden hätten. Allzu lange konnte diese Lüge allerdings
nicht aufrecht gehalten werden und die Regierung erklärte später, dass es
sich um ein Versehen gehandelt habe.

 

Dass türkische Regierungsvertreter in diesem Fall so voreilig mit dem Finger
auf andere zeigen, wirft bei uns jedenfalls Fragezeichen auf. Aufschluss
darüber könnten die Aussagen des zweiten stellvertretenden AKP Vorsitzenden,
Besir Atalay, geben, die er am 2. Januar im Interview mit der Tageszeitung
Milliyet aufgrund der Gespräche des türkischen Staates mit dem inhaftierten
PKK Vorsitzenden Abdullah Öcalan äußerte: 

 

"Während wir einerseits diese Arbeiten [gemeint die Gespräche mit Öcalan]
fortführen, versuchen wir andererseits die Moral und Motivation unserer
Sicherheitskräfte, die sich im Kampf mit den Terroristen befinden, aufrecht
zu halten. [.]

Wir verfolgen eine doppelte Strategie, in die wir alle Instrumente
integrieren wollen. Ziel dieser Instrumente ist dafür zu sorgen, dass sie
die Waffen niederlegen. Die Gespräche auf Imrali sind ein Teil dieser
Strategie. Auf der anderen Seite führen wir unsere Arbeiten national wie
international weiter fort. Wir stehen in Kontakt zu Nordirak und auch unsere
Arbeiten in den USA und Europa halten an. Das ist der internationale Fuß
unserer Strategie."

 

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bezog Ende Dezember gar
noch unverblümter Stellung, indem er in Richtung der PKK folgende Worte von
sich gab: 

 

"Entweder entscheidet ihr euch wie Menschen unter dieser Nation zu leben
oder ihr sucht euch ein anderes Land, in dem ihr leben könnt. Oder aber ihr
versteckt euch weiterhin in euren Höhlen. Aber seid gewiss, dass wir euch
auch in diesen Höhlen finden werden."

 

 

 

 

"Nicht der erste Mord an kurdischen Politikern in Europa"

 

Stellungnahme des KNK Exekutivratsmitglieds Zübeyir Aydar

 

Eine erste Stellungnahme des  Kurdischen Nationalkongresses in Brüssel (KNK)
gab Zübeyir Aydar, Exekutivratsmitglied des KNK, unserem Büro telefonisch.
Aydar sagte folgendes zum Mordfall:

 

"Wir befinden uns in einer Phase des Dialogs. Deshalb bewerten wir diesen
Mord als ein schmutziges Spiel und Angriff von dunklen Kräften. Sie haben
drei unserer Genossinnen ermordet, die aktiv im politischen Kampf und im
Kampf um die Geschlechterbefreiung teilgenommen haben. Der Mord wurde in
einem Zentrum verübt, aus welchem das kurdische Volk in der Öffentlichkeit
präsentiert wurde. Die Tatsache, dass drei Frauen zum Opfer des
Mordanschlags wurden, ist eine weitere wichtige Eigenschaft. Wir erwarten
vom französischen Staat und den VertreterInnen der EU, dass sie diesen
Mordfall lückenlos aufklären. Es ist nicht das erste Mal, dass kurdische
PolitikerInnen in Europa zum Opfer von Mordanschlägen wurden [gemeint sind
die Morde an den kurdischen Politikern Abdul Rahman Ghassemlou 1989 in Wien
und Mihemed Sadiq Şerefkendî 1992 in Berlin]."

 

 

Wer waren die ermordeten kurdischen Aktivistinnen?

Kurzbiographien

Die 1958 in Tunceli (Dersim) geborene Sakine Cansiz gehört zu den
Gründungsmitgliedern der 1978 gegründeten PKK (Arbeiterpartei Kurdistan).
Von den noch wenigen lebenden Gründungskadern der PKK handelt es sich bei
Cansiz um die einzige Frau. 1979 einem vor dem Militärputsch des
12.Septembers wurde Cansiz inhaftiert. In ihrer 12 Jährigen Haftzeit wurde
sie Opfer von schwerster Folter, in der sie durch ihren geleisteten
Widerstand zu einer Symbolfigur des kurdischen Frauenfreiheitskampfs
aufgestiegen ist. Als erste Frau der PKK leistete sie vor dem Putschgericht
in Diyarbakir eine politische Verteidigung. Nach ihrer Entlassung 1991
führte sie ihren Kampf in verschieden Orten im Mittleren Osten weiter. 1998
erhielt Cansiz politisches Asyl in Frankreich. Seitdem war Cansiz in
mehreren Ländern Europas politisch für die kurdische Frage und die
Geschlechterfrage engagiert. Darunter auch in Deutschland, wo sie 2007 in
Hamburg kurzzeitig in Haft saß. Sie war Mitglied des Kurdischen
Nationalkongress (KNK) mit Sitz in Brüssel. Sakine Cansiz gilt unter der
kurdischen Bevölkerung in Kurdistan und der Diaspora als die Symbolfigur des
kurdischen Frauenfreiheitskampf. 

Fidan Dogan, geboren (1982) und aufgewachsen in Elbistan, kam als
Flüchtlingskind nach Frankreich. Dort war sie seit dem Jahr 2001 in mehreren
Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit aktiv. Seit einigen Jahren fungierte
Dogan ebenfalls als Vertreterin des Kurdistan Nationalkongress (KNK) in
Frankreich. Sie galt als eine junge und trotzdem über große Erfahrung
verfügende Diplomatin. Auch außerhalb von Frankreich war sie als Diplomatin
des KNK aktiv. 

Leyla Söylemez ist Tochter einer yezidischen Einwandererfamilie. Die aus
Diyarbakir (Amed) stammende Söylemez verbrachte ihre Kindheit in der
türkischen Küstenstadt Mersin, wohin ihre Familie aufgrund von religiöser
Verfolgung fliehen musste. In den 90ern ist ihre Familie nach Deutschland
ausgewandert und lebte die meiste Zeit über in Halle. Geprägt von ihrer
Vergangenheit und dem aktuellen Geschehen in ihrer Heimat brach Söylemez ihr
Architekturstudium ab und widmete sich von da an voll und ganz der
politischen Tätigkeit. Jahrelang war Söylemez als Jugendaktivistin in Europa
aktiv.

 

Für weitere Informationen und Rückfragen stehen wir gerne unter der Nummer
069-84772084 zur Verfügung.

 

Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. 

 

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Bornheimer Landstraße 48, 60316 Frankfurt / Tel.: 069/84772084

 

 

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