[imc-presse] Türkei/Kurdistan: Der (Friedens-)Prozess befindet sich an einer kritischen Schwelle

Civaka Azad e.V. info at civaka-azad.org
Wed Aug 28 18:42:57 CEST 2013


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

seit Ende 2012 verhandelt der türkische Staat mit Abdullah Öcalan für ein
demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage.

 

"Der (Friedens-)Prozess befindet sich an einer kritischen Schwelle" so das
Mitglied des Kurdistan Nationalkongresses (KNK), Ismet Kem in seinem Beitrag
für Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit am
28.08.2013. (Siehe:
http://civaka-azad.org/index.php/479-der-friedens-prozess-befindet-sich-an-e
iner-kritischen-schwelle.html)

 

Damit deutet Ismet Kem auf die historische Gelegenheit zur friedlichen
Beilegung des Kurdenkonflikts hin. Auch Cemil Bayik weist im Gespräch mit
dem Journalisten Martin Dolzer (Siehe:
http://civaka-azad.org/index.php/480-loesung-bedarf-tuerkische-road-map.html
) auf die historische Chance des gegenwärtigen Friedensprozesses hin und
macht darauf aufmerksam, dass auch die türkische Seite für eine nachhaltige
Lösung und einen dauerhaften Frieden eine eigene Road Map brauche.   

 

Mit der letzten Ausgabe der Infoblätter "Der Weg zur Lösung" von unserem
Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, hatten wir die Entwicklungen und
Hintergründe des derzeitigen Lösungsprozesses der kurdischen Frage in der
Türkei detailliert beschrieben. Hierbei findet man ausführliche
Informationen u.a. welche Schritte für eine Lösung der Frage getan werden
müssen? (Siehe:
http://civaka-azad.org/index.php/466-5-ausgabe-der-civaka-azad-infoblaetter.
html)

 

 

Mit freundlichen Grüßen,

Devriş Çimen

 

 

Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. 
www.civaka-azad.org // info at civaka-azad.org 
Bornheimer Landstraße 48, 60316 Frankfurt 
Tel.: 069/84772084 

 

 

***

Hintergründe:

 

Demirtas: "Wir schließen keine politische Ehe mit der AKP"

 

Im Folgenden ein Auszug aus einem Interview der linken türkischen Zeitung
Birgün mit dem Kovorsitzenden der Partei für Frieden und Demokratie (BDP)
Selahattin Demirtas:

"Wir wussten bereits bevor der (Lösungs-)Prozess begonnen hat, dass die AKP
Versuche starten würde, uns hinzuhalten. Die Verhandlungen selbst sind als
politischer Kampf zu betrachten. Wir führen diese Verhandlungen nicht, weil
die AKP eine besonders freiheitliche oder demokratische Partei ist. Wenn die
AKP solch eine Partei wäre, müssten die Verhandlungen gar nicht erst
stattfinden. Sie hätte selbst diese Schritte eingeleitet. Aus diesem Grund
schauen wir als kurdische Seite, welche politischen Schritte unsererseits
den Weg öffnen, damit der Prozess nicht ins Stocken gerät.

Meines Erachtens stehen die revolutionären Bewegungen vollständig hinter den
Verhandlungen. Doch Nationalisten, Kemalisten und einige Liberale, die gegen
die AKP stehen, denken ,Daraus wird nichts, Erdogan macht keine Schritte,
die kurdische Bewegung soll das endlich erkennen'. Diejenigen die das Denken
tun dies nicht, weil sie an die Kurden denken sondern beabsichtigen, dass
sich eine weitere Front gegen die AKP bildet und die Kurden gegen die AKP
Krieg führen. Im Hinblick darauf möchte ich sagen, dass wir einen harten
Prozess führen. Lassen will mal die 90-jährige Staatsmentalität beiseite, es
ist eine Herausforderung an sich, mit der AKP Verhandlungen zu führen. Dies
kann jeder erkennen, der das Verhalten Erdogans beobachtet. Das Ende der
Verhandlungen bedeutet Krieg, das Sterben von Kindern und Jugendlichen. Aus
diesem Grund ist es unsere moralische Pflicht alles zu tun, damit die
Verhandlungen nicht ins Stocken geraten. Verhandlungen bedeuten nicht, eine
politische Ehe mit der AKP zu schließen, sondern eine Transformierung des
Konflikts von der militärischer in die politische Ebene."

 

Quelle: Birgün, 23.08.2013, ISKU

 

***

 

Friedensprozess: Akademiker warnen die Regierung

 

Über 100 AkademikerInnen haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in
der sie ihre Sorge um den Verlauf des Prozesses für eine demokratischen und
friedliche Lösung der kurdischen Frage zum Ausdruck bringen.

Sie riefen die Regierung dazu auf, unverzüglich tätig zu werden, um den
Friedensprozess transparent zu machen und internationalen Standards
entsprechend umzusetzen.

Die Akademiker drängen auch auf juristische Schritte zur Erfüllung der
grundlegenden demokratischen Forderungen der KurdInnen wie
muttersprachlichem Unterricht oder die Abschaffung der Wahlhürde (von 10%).

Bezugnehmend auf Erklärungen und Warnungen von kurdischer Seite erklärten
die AkademikerInnen, dass das Unvermögen der Regierung, die Öffentlichkeit
über den Fortgang des Prozesses zu informieren, darauf hindeute, dass er
nicht wie erwartet verlaufe. Diese Erklärungen seien ein Zeichen dafür, dass
die Regierung die Erwartungen der kurdischen Seite nicht erfüllt habe, und
dass Abdullah Öcalan, der bislang eine aktive Rolle in dem Prozess gespielt
habe, sich von den Gesprächen mit dem Staat zurückziehen werde.

Die AkademikerInnen erinnerten an Studien, die aufzeigen, dass die Hälfte
der weltweiten Friedensprozesse, die durch Regierungen abgebrochen wurden,
weil diese ihre Versprechungen nicht gehalten haben. Sie wiesen darauf hin,
dass der türkische Staat sich nicht den Luxus des "trial und error"
(Versuch-und-Irrtum) erlauben könne in dem laufenden Prozess zur Beendigung
des 30 Jahre alten Kriegs, der 50.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Sie bezogen sich auch auf Expertenmeinungen, die darauf hinweisen, dass ein
Erfolg des Friedensprozesses abhängig ist von seiner Transparenz, der
Schaffung von Mechanismen, die den politischen und sozialen Akteuren eine
gleichberechtigte Teilnahme ermöglichen, den juristischen Schritten zur
Aufhebung der Konfliktursachen, der Aufarbeitung von
Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit, der Schaffung von Strukturen
für einen gesellschaftlichen Dialog, der Einführung von Sicherheitsreformen
zur Linderung der Leiden der Zivilbevölkerung und das Einleiten von
Vereinbarungen, die eine Rückkehr von bewaffneten Kräften in die
Gesellschaft sicherstellen.

Die Akademiker beendeten ihre Erklärung mit der Auflistung der folgenden
fünf grundlegenden Schritte, welche die Regierung ohne weiteren Verzug
unternehmen müsse:

 

-          Veröffentlichung des Berichts der "Kommission der Weisen" und der
Lösungskommission

-          Vorbereitung eines Friedenskalenders, um den Friedensprozess
transparent zu machen

-          Juristische Schritte zur Erfüllung grundlegender demokratischer
Forderungen wie der nach muttersprachlichem Unterricht und der Aufhebung der
Wahlhürde

-          Einrichtung einer Wahrheitskommission, Kommissionen zur
Geschlechtergleichheit, zum sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau, zu
Sicherheitsreformen und einer Kommission zum Friedensprozess gemäß
internationalen Standards

-          Schaffung von zivilen Institutionen zur Überwachung des
Friedensprozesses und Gespräche mit wichtigen Beteiligten

 

Quelle: ANF, 24.08.2013, ISKU

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