[imc-presse] PM - 9 und 10 Prozesstag im § 129 b Verfahren gegen Ali Ihsan Kitay

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Sun Sep 23 11:13:07 CEST 2012


*Pressemitteilung*

*Bündnis Freiheit für Ali Ihsan*


 *BKA - oder auch - „Bewußt Keine Ahnung“ haben *

*Der 9. und 10. Prozesstag im § 129 b Verfahren gegen den kurdischen
Aktivisten Ali Ihsan Kitay*


 *Am Montag, den 13. August hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg das
Verfahren gegen den kurdischen **Politiker und Aktivisten Ali Ihsan Kitay
begonnen. Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft dem 47 jährigen Kurden vor,
dass er als Kader der PKK in den Jahren 2007 und 2008 die Region Hamburg
geleitet haben soll. Straftaten in Deutschland werden ihm wie auch weiteren
5 gemäß § 129 b StGB angeklagten Kurden nicht vorgeworfen. Das Verfahren
ist bis Ende Dezember auf mehr als 30 Prozesstage terminiert.*


 *Am 9. Prozesstag, wurde der Beamte des Bundeskriminalamts (BKA),** *Herr
E.*, als Zeuge befragt. Wie bereits sein Vorgesetzter, der Leiter der
Strukturermittlungen, Herr. B., hatte auch dieser Beamte wenig Wissen über
die Realität in der Türkei und Kurdistan sowie die Ziele und Ausrichtung
der PKK. Er habe zu den Anschlägen und dem Aufbau der Guerilla der PKK, den
Volksverteidigungskräften HPG, ermittelt so der Beamte. Die politischen
Hintergründe vermeintlicher „Anschläge“ - oder ob im Vorfeld von
„Vergeltungsaktionen“ ZivilistInnen von der türkischen Armee getötet wurden
zu ermitteln, zu beachten oder zu benennen, sei nicht sein Auftrag gewesen.
„Was die türkische Armee gemacht hat, war für meine Ermittlungen egal. Das
war nicht mein Auftrag, mich damit zu beschäftigen“, so der ca. 30 jährige
Beamte. Bei der Befragung durch die VerteidigerInnen Ali Ihsan Kitays,
Cornelia Ganten Lange und Carsten Gericke wurde deutlich, dass Herr E.
völlig einseitig belastend und sehr ungenau ermittelt hat. Auf 2/3 der
Fragen der Verteidgung zu Vorkommnissen in der Türkei oder der Struktur der
kurdischen Bewegung sowie politischen Aspekten hatte Herr E. keine Antwort.*


 *Der Beamte hielt die in der Bundesrepublik erscheinende Tageszeitung Yeni
Özgür Politika (YÖP) für das Presseorgan der PKK - und baute seine Vermerke
in den Akten hauptsächlich auf Artikel aus der Zeitung und die Homepage der
HPG auf. Artikel hätte er sich, wenn sie denn von Anschlägen handelten, zu
denen er zum Teil auch Gefechte zwischen der Armee und der HPG zählte, von
einem Dolmetscher übersetzen lassen. Weitere Beamten würden die Zeitung und
das Internet nach relevanten Dokumenten durchsehen – oder er selbst mit
einem Dolmetscher die Überschriften der Publikationen durchgehen und dann
zu übersetzende Texte auswählen. Zeitungen aus der Türkei würde er nicht
kennen – und hätte diese auch nicht ausgewertet. Ein Abgleich der
Informationen von der Homepage der HPG oder aus der Zeitung YÖP mit
Meldungen des türkischen Generalstabs, Publikationen der Regierung oder aus
weiterer Presse in der Türkei hielten die Beamten des BKA nicht für nötig.
Ob die PKK über eigene Presseorgane verfüge wusste Herr E. ebenfalls nicht
zu berichten. Ein Organigram der Struktur der HPG habe er aus den Akten
eines Prozesses in Dresden übernommen. Wer es gefertigt hat und wann es
gefertigt wurde, könne er nicht sagen. *


 *Waffenstillstandsabkommen der HPG hat der Beamte zwar gesammelt und
benannt, nicht jedoch den Inhalt der entsprechenden Erklärungen der HPG
genau gelesen oder analysiert. Ebenfalls nicht beantworten konnte der
Ermittler, ob die PKK oder KCK auf einen eigenen Staat orientiere und ob
und mit welchem Ziel und Ergebnis Friedensgespräche zwischen der türkischen
Regierung und Abdullah Öcalan sowie der PKK stattgefunden haben. Auch
inwieweit die Waffenstillstands-abkommen eingehalten wurden – und warum sie
zu bestimmten Zeitpunkten erneuert oder aufgehoben wurden konnte der Zeuge
nicht sagen. „Ob die in dem Organigram beschriebene Struktur so richtig
ist“, fragte Rechtsanwalt Gericke. „Davon gehe ich aus. (…) Wer jetzt genau
die Waffenstillstände beschlossen hat – die KCK oder die HPG – das weiss
ich nicht, da ich ja nicht bei Versammlungen der KCK oder der HPG anwesend
war. (...) Was in der Road Map von Abdullah Öcalan steht weiss ich nicht.
(…) Wenn ich diese Erklärung der KCK so in den Akten niedergelegt habe,
dann habe ich sie wohl gelesen – an den Inhalt kann ich mich aber jetzt
nicht mehr erinnern – mein Auftrag war ja auch nicht mich mit den
politischen Zielen der Organsiation zu beschäftigen“, so Herr E.. „Aber das
Organigramm ist doch sehr aussagekräftig.“ Das gesammelte Unwissen hinderte
den Beamten jedoch nicht daran in seinen Aktenvermerken Beurteilungen über
die Ausrichtung und Struktur der HPG abzugeben.*


 *Auffälig ist, dass die bisher geladenen Zeugen des BKA sämtlich fast kein
Hintergrundwissen über die Lebensrealität der kurdischen Bevölkerung, das
Völkerrecht, die Entwicklung der Ausrichtung der türkischen Regierung und
die Ausrichtung der PKK und der KCK, sowie die Entwicklungslinien des
Konflikts haben. „Wer sich nur eine Woche in das Thema einliest, hat sicher
weit mehr Wissen als die befragten Beamten. Das die sich anmaßen solche
Bewertungen abzugeben und über das Leben von Menschen – über etwaige
langjährige Haftstrafen – mitzuentscheiden, ist verantwortungslos und
unwürdig“, so eine Prozessbeobachterin. *


 *Jede/r der BeamtInnen des BKA hat offensichtlich nur ein kleines
Mosaikteil zu ermitteln. Keiner der bisher Befragten fühlte sich seinem
Gewissen soweit verpflichtet, dass er versucht hätte auch nur annähernd zu
verstehen, welchen politischen Hintergrund der Widerstand der kurdischen
Bevölkerung und somit auch die Ermittlungen haben – und warum er selbst so
einseitig ermitteln soll. Diese Vorgehensweise ist offenbar systematisch
beabsichtig – denn ansonsten würde den Beamten die unmenschliche Dimension
ihres Handelns bewusst. *


 *Die 5 RichterInnen des OLG Hamburg tragen ebenfalls zur Einseitigkeit des
Prozesses gegen Ali Ihsan Kitay bei, da sie zumindest bisher
völkerrechtliche, menschenrechtliche und politisch analytische Aspekte
außen vor lassen und immer wieder versuchen mit Hilfe von Verweisen auf -
im Selbstleseverfahren eingeführte Akten (hauptsächlich politische Texte
und Erklärungen der kurdischen Akteure) – die VerteidigerInnen dabei
behindern Fragen zu diesen Aspekten stellen. Im Selbstleseverfahren
eingeführte Akten werden nur von den Prozessbeteiligten gelesen und gelten
dann als öffentlich verhandelt. Die notwendige Auseinandersetzung mit dem
Konflikt sowie das Recht auf eine dynamische Verteidigung werden so
verhindert. Zudem hindert das Vorgehen der RichterInnen die Öffentlichkeit
daran sich einen vollständigen Eindruck von der Anklage und dem
Prozessgeschehen machen zu können. *


 *Statt im Verlauf des Prozesses den eigentlichen Konflikt, um den es geht,
zu analysieren und die Handlungsweisen der AkteurInnen – also auch die von
Ali Ihsan Kitay zu verstehen – um dann zu beurteilen wer, was, zu welchem
Zeitpunkt warum getan hat – enteignen die RichterInnen den Konflikt, indem
sie das Verfahren formalistisch gestalten und die wesentlichen Inhalte
ausblenden. Dem entsprechend wurden am 10. Prozesstag studenlang
Aufzeichnungen von überwachten Telefongesprächen angehört, die belegen
sollen, dass Ali Ihsan Kitay eine leitende Funktion einnahm. Bereits zum
dritten mal ging es u.a. darum, wann ein Grill für ein Fest von Kiel nach
Hamburg gefahren wird. Drei der 5 RichterInnen verfolgten das Geschehen,
entsprechend des hohen „Erkenntniswertes“ der Gespräche, zwischenzeitlich
immer wieder mit geschlossenen Augen. Besonders bemerkenswert: eines der
Tonbänder ließ schon die Stimme eines der Telefonierenden hören, lange
bevor dieser gewählt hatte. Auch nächste Woche sollen weitere
Telefongespräche gehört werden. *


 *Die Verteidigung Kitays stellte bereits am 4. Prozesstag den Antrag das
Verfahren auszusetzen. Das OLG Hamburg solle eine Entscheidung des
Bundesverfasungsgerichtes einholen, ob § 129 b gegen das Grundgesetz
verstößt. Durch § 129 b werde die Gewaltenteilung aufgehoben, weil das
Bundesjustizministerium entscheidet wer nach diesem Pragrafen verfolgt
wird. Politischer Willkür und Verfolgung aus außenpolitischen Motiven werde
so Tür und Tor geöffnet. Zudem wurde § 129 b nach dem 11.9. 2002 in einem
Schnellverfahren eingeführt und weist daher schwere handwerkliche und
juristische Fehler auf.
*

*Die Ermittlungen des BKA sind aufgrund des Unwissens der Beamten wertlos.
Das Verfahren muss sofort ausgesetzt – alle gemäß §129b inhaftierten
freigelassen werden.*


 *Unsere Solidarität gegen ihre Repression !*

*Freiheit für Ali Ihsan Kitay und alle politischen Gefangenen! Frieden in
Kurdistan !*
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