[imc-presse] PM 21. bis 23. Prozesstag im § 129 b Verfahren gegen Ali Ihsan Kitay

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Fri Dec 21 14:34:41 CET 2012


*Pressemitteilung*

*Bündnis Freiheit für Ali Ihsan*



*Der 21.-23. Prozesstag im §129 b Verfahren gegen Ali Ihsan Kitay*

*Die Richtigkeit von belastenden Computerdateien aus Belgien ist nicht
nachvollziehbar – Weiterer Baustein der Anklage bricht zusammen –
RichterInnen sind befangen *

Am Montag, den 13. August hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg das
Verfahren gegen den kurdischen Politiker und Aktivisten Ali Ihsan Kitay
begonnen. Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft dem 47 jährigen Kurden vor,
dass er als Kader der PKK in den Jahren 2007 und 2008 die Region Hamburg
geleitet haben soll. Straftaten in Deutschland werden ihm wie auch weiteren
5 gemäß § 129 b StGB angeklagten Kurden nicht vorgeworfen. Das Verfahren
ist bis Ende Dezember auf mehr als 30 Prozesstage terminiert.

Am 21. Prozesstag sagte erneut der BKA Beamte Herr B. aus, der bereits am
7. Verhandlungstag als Zeuge vernommen wurde. In der jetzigen Befragung
ging es um die Verwertung von Computer -dateien aus Belgien. Die
VerteidigerInnen von Ali Ihsan Kitay, Cornelia Ganten Lange und Carsten
Gericke erhoben Einspruch gegen die Verwertung dieser für die Anklage
mitentscheidenden Dateien. Zum einen ist nicht geklärt ob die Computerdaten
in Belgien bundesdeutschen Standards gemäß erhoben und gesichert wurden.
Des Weiteren kann aufgrund der intransparenten Praxis des BKA, namentlich
des Zeugen Herr B., nicht nachvollzogen werden, ob diejenigen Dateien, die
ausgewertet wurden, den Dateien auf den Festplatten, die bei einer Razzia
in Belgien im Jahr 2010 beschlagnahmt wurden, entsprechen. Im Rahmen
polizeilicher Zusammenarbeit und eines späteren Rechtshilfeersuchens an die
Behörden in Belgien, waren mehrere Dateien und USB Sticks an das BKA
übergeben worden. Es entspricht computerforensischen Standards in der BRD,
dass vor Gericht verwendete Dateien nicht verändert werden dürfen und
entsprechend geschützt werden müssen. Um das nachzuprüfen greifen
ComputerspezialistInnen auf so genannte Hash - Werte zurück. Diese stimmen
im Fall der aus Belgien erhobenen Computerdateien, die nun im Prozess gegen
Ali Ihsan Kitay verwendet werden sollen, in 3 von 7 Fällen nicht überein.

Zudem hatte der BKA Beamte Herr B. zunächst nur von im Rahmen polizeilicher
Zusammenarbeit überlieferten Dateien Übersetzungen fertigen lassen, die
jedoch in das Verfahren gegen Ali Ihsan Kitay eingeführt wurden. Es dürfen
demgegenüber aus völkerrechtlichen Gründen nur Dateien aus einem
offiziellen Rechtshilfeersuchen vor Gericht verwendet werden – oder solche
für die eine Genehmigung der jeweiligen Behörden im Herkunftsland vorliegt.

In der Befragung von Herrn B. wurde deutlich, dass dieser selbst wenig
Wissen über Computerforensik hat und entsprechend unachtsam mit den Dateien
umging. Zudem hat der leitende Beamte des BKA sich ständig in Widersprüche
verstrickt. Der Fakt, dass die bei 3/7 der Dateien weder die Hash - Werte
noch die Datenmenge mit denen der Originale übereinstimmt, brachte
letztendlich auch die 5 RichterInnen des OLG Hamburg – nach 7 Stunden
Verhandlung und Klärung der Sachlage – dazu nachzudenken. Der Verteidigung
war noch am Morgen des Prozesstages seitens der Bundesanwaltschaft (BAW)
und der RichterInnen vorgeworfen worden, den Prozess mit dem
Verwertungswiderspruch lediglich verzögern zu wollen. Doch statt nun zu
entscheiden, dass diese Daten nicht verwertbar sind, versucht das Gericht,
die offensichtlichen Fehler oberflächlich handzuhaben, statt wie nötig, ein
weiteres Rechtshilfeersuchen anzuordnen. Nach einer unverbindlichen
Nachfrage bei den belgischen Polizeibehörden, die erklärten, dass es sich
um die gleichen taten handeln müsse, entschieden die Richter am 23.
Prozesstag, dass die Dateien, entgegen den juristischen Standards in der
BRD, in den Prozess einfließen sollen.

In der Befragung des leitenden BKA Beamten Herr B. wurde bereits am 7.
Verhandlungstag deutlich, dass dieser kaum Wissen über die politische
Situation in der Türkei, Kurdistan und den Mittleren Osten sowie die
politische Entwicklung der PKK hat. Er hatte völlig einseitig ermittelt und
nur belastende Momente gesammelt. Er wusste zudem nichts über die
Autonomieregion im Nordirak – und über die Situation in Syrien lediglich
aus dem Fernsehen – maßte sich jedoch trotz seines Unwissen an, die Politik
der kurdischen Bewegung abschließend bewerten zu können. Dessen
Einschätzungen haben daraufhin wesentlich dazu beigetragen, dass das
Bundesministerium für Justiz (BMJ) eine bzw. mehrere
Verfolgungsermächtigungen gemäß § 129 b StGB (Mitgliedschaft oder
Unterstützung einer „terroristischen Vereinigung im Ausland) gegeben hat.
Herr B. musste bei Fragen der Verteidigung nach seinem Wissen über die
politischen Konzepte der PKK und der KCK letztlich eingestehen, dass er bei
seiner Beurteilung der Struktur hauptsächlich auf vor dem Jahr 2006
gesammeltes zusammengefasstes „Wissen“ weiterer BKA- Beamte zurückgegriffen
hat und neuere Entwicklungen lediglich anhand einer bruchstükhaften
Auswertung von Dokumenten der KCK einschätzt. Die Situation in der Türkei
und die konkrete Umsetzung der Politik von PKK und KCK habe er nicht
betrachtet, da ihm das nicht wichtig erschien. Er habe lediglich nach
Straftaten ermittelt, so der leitende Beamte am 7. Prozesstag.

Insgesamt wird in dem Prozess gegen Ali Ihsan Kitay deutlich, dass jede/r
der BeamtInnen des BKA offensichtlich nur ein kleines Mosaikteil ermitteln
soll. Keiner der bisher Befragten fühlte sich seinem Gewissen soweit
verpflichtet, dass er versucht hätte auch nur annähernd zu verstehen,
welchen politischen Hintergrund der Widerstand der kurdischen Bevölkerung
und somit auch die Ermittlungen haben – und warum er selbst so einseitig
ermittelt. Diese Vorgehensweise ist offenbar systematisch beabsichtigt –
denn ansonsten würde den Beamten die unmenschliche Dimension ihres Handelns
bewusst. Am 21. Prozesstag wurde nun deutlich, dass das BKA auch bei der
Auswertung von Computerdateien aus Belgien ohne computerforensische Regeln
und völlig fahrlässig agiert hat.

Jeweils ca. 30 Menschen beobachteten den 21., 22. und 23. Prozesstag und
zeigten sich solidarisch mit Ali Ihsan Kitay. Die Verteidigung Kitays
belegte in Anträgen am 23. Prozesstag erneut, dass Dokumente von einem
Dolmetscher des BKA falsch und belastend übersetzt wurden. Dieser hatte in
hunderten Dokumenten neben vielen weiteren offensichtlich absichtlich
belastenden Fehlern das Wort „eylem“, dessen Bedeutung „Aktion“ ist, als
„Anschlag“ übersetzt. In einem weiteren Antrag wurde deutlich, dass die
Beamten des BKA mehr als 30 Unfälle als Anschläge bezeichneten und dabei
absichtlich Informationen zurückgehalten haben. Das Konstrukt, die
Freiheitsfalken TAK wären eine Unterorganisation der PKK, hatte sich im
Prozess als völlig unhaltbar erwiesen. Selbst der diesbezügliche „Experte“
des BKA musste eingestehen, dass es lediglich „Indizien gibt, die darauf
hinweisen könnten, dass die TAK der PKK zugehörig sind.“ Die daraufhin
vorgetragenen Indizien entstammten sämtlich nicht überprüften Informationen
aus dem Internet und waren zum Teil sachlich falsch. Die RichterInnen
wollen ihren Äußerungen im Prozess zufolge jedoch offensichtlich trotzdem
an dem Konstrukt festhalten.

Erneut zeigt sich auf diese Weise die Voreingenommenheit und Ungenauigkeit
der RichterInnen. Jede notwendige rechtliche Abwägung muss dem Gericht
seitens der Verteidigung Ali Ihsan Kitays abgerungen werden - sei es eine
völkerrechtliche, eine bezüglich der gravierenden
Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in der Türkei oder wie am
21. Prozesstag eine Formalität, die jedoch entscheidenden Einfluss auf das
Verfahren nehmen kann. Die RichterInnen gehen dann gerade soweit wie nötig
auf das Erforderliche ein, um nicht zu offensichtlich rechtswidrig zu
handeln.

*Unsere Solidarität gegen Ihre Repression !
*

*Freiheit für Ali Ihsan Kitay und alle politischen Gefangenen !*

*Frieden in Kurdistan ! *
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