[imc-presse] Pressemitteilung Zweiter Jahrestag Luftangriff Kunduz

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Thu Sep 1 10:15:11 CEST 2011


 

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PRESSEMITTEILUNG

 

Kunduz, 4. September 2009 – Stand und Bewertung der strafrechtlichen
Aufarbeitung zwei Jahre später

 

Berlin, 1. September 2011. Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, ECCHR-
Generalsekretär, hat im April 2010 das Mandat für Herrn Abdul Hanan
übernommen, um eine Beteiligung der Geschädigten in der strafrechtlichen
Aufklärung der Geschehnisse in Kunduz zu ermöglichen und eine
internationalen Standards entsprechende Aufarbeitung durchzusetzen. Herr
Hanan hat seine beiden Söhne Abdul Dayan und Nasarullah im Alter von zwölf
und acht Jahren bei dem Angriff verloren, bei dem insgesamt zwischen 91 und
142 Menschen ums Leben kamen.

 

Am 12. März 2010 hat die Bundesanwaltschaft ein förmliches
Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel Wilhelm wegen
Verdachts eines Kriegsverbrechens eingeleitet. Dieses wurde am 16. April
2010 vorläufig wieder eingestellt. Am 19. August 2010 teilte das
Verteidigungsministerium mit, dass auch kein internes Disziplinarverfahren
gegen Oberst Klein und andere Beteiligte eingeleitet werde.

 

Die Einstellungsentscheidung der Bundesanwaltschaft ist grundsätzlich nur in
einem eingeschränkten Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.
Dies ist zu kritisieren, da die Bundesanwaltschaft in Weisungsabhängigkeit
zum Bundesministerium der Justiz steht und insofern nicht vollkommen
unabhängig von politischen Vorgaben agieren kann. Eine gerichtliche
Entscheidung über die Einstellungsverfügung wurde von RA Kaleck am 15.
November 2010 beim Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) im Rahmen eines
Klageerzwingungsverfahrens beantragt. Akteneinsicht wurde zuvor durch die
Bundesanwaltschaft nur in einem sehr begrenzten Umfang gewährt. Mit
Entscheidung vom 16. Februar 2011 wies das OLG den Antrag als unzulässig
zurück. Gegen diese Entscheidung wurde am 15. März 2011
Verfassungsbeschwerde eingereicht. Darin wird der erschwerte Zugang zu den
Gerichten gerügt, ebenso wie die unzureichenden Ermittlungen durch die
Bundesanwaltschaft. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht
noch aus.

 

Zwei Jahre nach dem Luftangriff bleibt festzuhalten, dass der Vorfall
strafrechtlich nicht aufgeklärt wurde. Ein Grund hierfür liegt in der
fehlenden Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft gegenüber der
Bundesregierung und der fehlenden Kontrollmöglichkeiten der Entscheidungen
der Bundesanwaltschaft durch Gerichte und Geschädigtenvertreter; eine rein
juristische Aufarbeitung ohne politische Einflussnahme war nicht möglich.
Bislang hat kein deutsches Gericht die Einstellungsentscheidung und die
Ermittlungsführung der Bundesanwaltschaft überprüft, noch konnten die
vollständigen Akten durch Vertreter der Geschädigten eingesehen werden.
Einzig der Bundestagsuntersuchungsausschuss hatte Zugang zu den Akten.
Dessen Ergebnis fällt je nach Fraktion aufgrund politischer Ziele sehr
unterschiedlich aus und ist mit einer gerichtlichen Überprüfung nicht zu
vergleichen. So kamen die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen und Die Linke zu
dem Schluss, dass Oberst Klein Völkerrecht verletzt habe; Die Linke sieht
außerdem erhebliche Defizite in der juristischen Aufarbeitung des Vorfalls
durch die damit befassten Stellen. Da auch das Bundesverfassungsgericht die
Entscheidungen der Bundesanwaltschaft nicht direkt überprüfen wird, sondern
prozessuale Fragen beantwortet, könnte es letztlich erst der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte sein, der die Ermittlungspraxis deutscher
Stellen bewertet. Ein solcher Schritt würde die innerstaatlichen
Überprüfungsmechanismen in Deutschland und deren Handhabung durch
Bundesanwaltschaft und Bundesregierung bei Tötung einer großen Anzahl von
Zivilisten durch Soldaten der Bundeswehr stark in Frage stellen.

 

 

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:

 

Wolfgang Kaleck, Generalsekretär, Tel.: 030 4004 8590, E-Mail:
info at ecchr.eu,

Andreas Schüller, Programmdirektor, Tel.: 030 40 60 58 38, E-Mail:
<mailto:schueller at ecchr.eu> schueller at ecchr.eu

 

Siehe auch: http://www.ecchr.eu/index.php/FALL_KUNDUS.html

 

 

_____________________________________________________

ECCHR - European Center for Constitutional and Human Rights
Zossener Str. 55-58, Aufgang D
D-10961 BERLIN
Phone: +49(0)30 - 40 04 85 90 

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Mail: info at ECCHR.eu
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Council: Michael Ratner, Lotte Leicht, Dieter Hummel, Christian Bommarius
General Secretary: Wolfgang Kaleck

 

 

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