[imc-presse] Pressemitteilung: Strafverfahren gegen Rechtsanwalt Stephan Lucas

RAV e.V. gs at rav.de
Thu Mar 31 11:21:47 CEST 2011


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

anbei senden wir Ihnen die Pressemitteilung des Republikanischen
Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) zum Verfahren gegen Stephan Lucas
vom heutigen Tag.

 

Wir bitten um Kenntnisnahme und Veröffentlichung.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

Sigrid v. Klinggräff

RAV-Geschäftsstelle

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Pressemitteilung

 

Strafverfahren gegen Strafverteidiger: RAV sieht Freiheit der Advokatur in
Gefahr

 

Morgen wird in Augsburg das Urteil gegen Rechtsanwalt und Strafverteidiger
Stephan Lucas gesprochen: ein Jahr neun Monate Gefängnis auf Bewährung und
drei Jahre Berufsverbot wegen Strafvereitelung – so hat es jedenfalls die
Staatsanwaltschaft gefordert.

 

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) hat das Verfahren
aus Sorge um die Freiheit der Advokatur beobachtet. Sollte das Urteil gemäß
der Staatsanwaltschaft ausfallen, sähe sich der RAV in seinen schlimmsten
Befürchtungen bestätigt. „Die Richter, Herren des Strafrechts, sollen einen
Rechtsanwalt mit eben diesem Mittel disziplinieren, nicht im Namen des
Volkes, sondern im Namen der Subordination“, so Rechtsanwalt Martin Heiming,
Vorsitzender des RAV. „Das Signal an alle Strafverteidiger: Wer engagiert
verteidigt, wird am Ende selbst bestraft.“

 

Wie kann ein Strafverteidiger, der seinen Beruf ernst nimmt, überhaupt eine
Strafvereitelung begehen? Seine Aufgabe ist es, Verfahrens- und
Beschuldigtenrechte durchzusetzen. Im philosophischen Sinne betreibt er so
immer „Strafvereitelung“.

 

Was hat Rechtsanwalt Lucas getan? Er hatte 2009 vor dem Landgericht Augsburg
einen Mandanten gegen den Vorwurf verteidigt, in 26 Fällen mit insgesamt ca.
130 kg Rauschgift gehandelt zu haben. Lucas rügte später in der Revision
beim Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem ein „unfaires“ Verfahren.
Vorsitzender und Berichterstatter in Augsburg hatten ihm einen Deal
angeboten, eine Strafe von unter 5 Jahren im Fall eines Geständnisses. Sein
Mandant lehnte ab. Er wollte kein falsches Geständnis ablegen. Am Ende
erreichte Lucas, dass sein Mandant nur wegen sieben Fällen mit ca. 25 kg
verurteilt wurde. Die Richter verhängten dafür 8 Jahre und 6 Monate. Dass
das nicht fair erscheint, liegt auf der Hand. 

 

Gegenüber dem BGH gaben die Richter an, sie hätten zwar Lucas zu einem
Gespräch getroffen, Zahlen aber seien dabei nicht genannt worden. Lucas
widersprach dieser Darstellung ausdrücklich. Der BGH verwirft dann
normalerweise die Rüge des unfairen Verfahrens, weil sie unbewiesen
geblieben sei. In diesem Fall „übersah“ der BGH den Widerspruch und
schlussfolgerte, Lucas habe ihn mit der Rüge bewusst belogen.

 

Dies war das Startsignal für die Augsburger Staatsanwaltschaft, Lucas wegen
Strafvereitelung anzuklagen, ausgerechnet bei den Richtern des Vorprozesses,
die selbst gar nicht auf die Idee kamen, sie könnten befangen sein. 

 

Jetzt sollen Richter einer anderen Kammer des Landgerichts Rechtsanwalt
Lucas antragsgemäß verurteilen, obwohl nicht nur die damalige
Sitzungsstaatsanwältin bezeugte, dass sie selbst zum Beispiel damals sehr
wohl über konkrete Zahlen gesprochen habe. Es fand sich in allerletzter
Minute auch noch ein handschriftlicher Vermerk auf dem Sitzungsprotokoll der
Staatsanwaltschaft vom dritten Verhandlungstag: evtl. 4 Jahre 10 Monate.

 

Spätestens damit, möchte man meinen, hat der Angeklagte seine Unschuld
bewiesen. „Offensichtlicher kann nicht zum Ausdruck kommen, dass sich nicht
der Verteidiger einer Strafvereitelung schuldig gemacht hat, sondern die
Staatsanwaltschaft bis zum bitteren Ende Verfolgung eines Unschuldigen
betreibt“, resümiert Martin Heiming. „Gehen die Richter diesen Weg mit,
müssen sie sich dem Verdacht der Rechtsbeugung ausgesetzt sehen.“

 

Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt Martin Heiming zur Verfügung, 0172
3577357

 

Berlin, 31.3.2011

 

Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälten. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel
ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder
gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine
fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken. Besonderes Augenmerk
gilt dabei dem Kampf um die freie Advokatur, denn die Freiheit von
staatlicher Bevormundung stellt für die anwaltliche Tätigkeit eine
notwendige Bedingung dar, um diese Aufgabe wahrnehmen zu können.

 

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Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.

Haus der Demokratie und Menschenrechte

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