[imc-presse] Pressemitteilung_Urteile zu rechtswidrigen Freiheitsentziehungen beim G8 in Rostock

RAV e.V. gs at rav.de
Tue Oct 5 09:06:12 CEST 2010


PRESSEMITTEILUNG

 

Sehr geehrte Damen und Herren,



anbei senden wir Ihnen eine aktuelle Pressemitteilung des Republikanischen
Anwältinnen- und Anwältevereins zu den Urteilen des Verwaltungsgerichts
Schwerin.

Eine Vielzahl anhängig gemachter Klagen, dass die Ingewahrsamnahmen und die
Haftbedingungen rechtswidrig waren und den Betroffenen zu Unrecht Telefonate
mit Vertrauenspersonen und RechtsanwältInnen verweigert wurden, sind nun
nach drei Jahren bestätigt worden.



Wir bitten um Kenntnisnahmen und Veröffentlichung der Pressemitteilung in
Ihren Print und/oder Online - Ausgaben.
Vielen Dank.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Sigrid v. Klinggräff
RAV-Geschäftsstelle



Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.

Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin

Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57

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Pressemitteilung                   

Ressorts: Innen / Justiz

 

Urteile des Verwaltungsgerichts Schwerin zu rechtswidrigen
Freiheitsentziehungen in den G8-Käfigen von Rostock

3 Jahre nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm bestätigt das Verwaltungsgericht
Schwerin in einer Vielzahl anhängig gemachten Klagen, dass die
Ingewahrsamnahmen und die Haftbedingungen rechtswidrig waren und
Betroffenen zu Unrecht Telefonate mit Vertrauenspersonen und
RechtsanwältInnen verweigert wurden. 

„ Die Gerichtsurteile bestätigen unsere Rechtsauffassung. Die
Ingewahrsamnahmen waren von Beginn an rechtswidrig und die Inhaftierung in
‚Käfigen’ über einen längeren Zeitraum verstößt gegen die Menschenwürde. Das
Vorgehen der verantwortlichen Polizeibehörden war in den überwiegenden
Fällen willkürlich und wurde ohne jede Tatsachengrundlage sogar noch trotz
gegenteiliger Richterentscheidungen fortgesetzt“ kommentiert Rechtsanwältin
Britta Eder aus Hamburg. Bereits während des G8-Gipfels waren die
Haftbedingungen in den Gefangenensammelstelle vom Anwaltlichen Notdienst,
verschiedenen Menschenrechtsgruppen und dem RAV kritisiert worden. Die
Polizei nutzt käfigartige Gefangenensammelstellen weiterhin bei
Großdemonstrationen wie etwa den Castortransporten. 

Hintergrund:

Mehr als 1100 Menschen waren während des G8-Gipfels in Rostock und Umgebung
festgenommen und zu großem Teil in „Käfigen“ eingepfercht worden. Die
„Käfige“, die in größeren Hallen auf nacktem Steinboden aufgestellt worden
waren, waren überfüllt und nicht einmal mit Pritschen ausgestattet, so dass
die Gefangenen auf dem blanken Boden liegen mussten. Rund um die Uhr wurden
sie dort mit Hilfe von Videokameras überwacht. Einige der Betroffenen
blieben auch in den „Käfigen“ noch mittels sog. Kabelbindern gefesselt.
Ausreichend Trinkwasser oder Toilettengänge wurden verweigert, das Licht
brannte 24 Stunden am Tag. 

Zudem wurde in vielen Fällen der Rechtsschutz vereitelt, Anwaltstelefonate
lange Zeit verhindert, Haftrichter zu spät oder überhaupt nicht konsultiert.
In ca. 95 % der Fälle, in denen eine Vorführung erfolgte, veranlassten die
Haftrichter sofortige Entlassungen. 

14 GlobalisierungskritikerInnen aus Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt,
Brandenburg und Bayern hatten nach dem G8-Gipfel beim Verwaltungsgericht
Schwerin Klagen wegen rechtswidriger Freiheitsentziehung, Fesselung,
unmenschlichen Haftbedingungen und Verweigerung von Anwaltskontakten während
ihrer Inhaftierung eingereicht. Zudem wurde Strafanzeige wegen
Freiheitsberaubung u.a. gegen den Leiter der Gefangenensammelstelle
gestellt. 

Gerichtsurteile:

Im Laufe der anhängigen Verfahren hatte das Verwaltungsgericht Schwerin
bereits vor einigen Monaten gegenüber den Prozessbeteiligten darauf
hingewiesen, dass es die Rechtsauffassung der Kläger teile und ihre Klagen
begründet sein dürften. Auch hinsichtlich der Art und Weise der Behandlung
der KlägerInnen im Gewahrsam bestehe wohl ein Anspruch der KlägerInnen auf
Feststellung der Rechtswidrigkeit. 

In Folge dessen erkannte auch die Polizeidirektion  Rostock an, dass die
Klagen zu Recht erhoben wurden. Das Verwaltungsgericht Schwerin hat
daraufhin sog. Anerkenntnisurteile erlassen und nicht nur festgestellt, dass
die Ingewahrsamnahme als solches rechtswidrig waren, sondern darüber hinaus,
„dass die Art und Weise der Behandlung im Gewahrsam, insbesondere die
Unterbringung, die Videographie und die Fesselung der Klägerin wie auch die
verspätete Gewährung bzw. Nichtgewährung eines Telefonats mit einer Person
des Vertrauens rechtswidrig gewesen ist.“

Die Betroffenen werden nun durch ihrer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen prüfen lassen.

Neben der Rehabilitierung ging es den Betroffenen bei den
Feststellungsklagen auch darum, die Desinformationspolitik seitens der
Polizei und des Schweriner Innenministers Lorenz Caffier (CDU) zu
thematisieren und eine solche Praxis in Zukunft zu verhindern. Insbesondere
Innenminister Caffier hatte nach dem G8-Gipfel mehrfach gegenüber Medien und
Parlamentsausschüssen versucht, die Massenverhaftungen als legitim
darzustellen, die unmenschlichen Haftbedingungen zu bagatellisieren sowie
die Fesselung in den Gefangenensammelstellen und die Verweigerung von
Anwaltskontakten zu leugnen. 

„Solch einem unverantwortlichen Handeln und einer derart
menschenrechtswidrigen Praxis erteilten die Gerichte eine klare Absage“,
kommentiert Britta Eder. 

Der RAV fordert die Polizei und die weiteren verantwortlichen Stellen in den
Innenministerien des Bundes und der Länder auf, diese Entscheidungen ernst
zu nehmen und bei Großereignissen, wie beispielsweise den bevorstehenden
Massenprotesten gegen Atommüll-Transporte ins niedersächsische Gorleben, die
Grundrechte protestierender Bürgerinnen und Bürger zu wahren.

Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwältin Britta Eder, Tel-Nr. 0176-207 56
46 oder 040/32033756 zur Verfügung. 

Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälten. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel
ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder
gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine
fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken. Besonderes Augenmerk
gilt dabei dem Kampf um die freie Advokatur, denn die Freiheit von
staatlicher Bevormundung stellt für die anwaltliche Tätigkeit eine
notwendige Bedingung dar, um diese Aufgabe wahrnehmen zu können.

 

 

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