[imc-presse] Pressemitteilung RAV "UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten fordert eine unabhängige Untersuchung der Anzeige gegen US-Verteidigungsminister Rumsfeld u.a. wegen Folter und Kriegsverbrechen "

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Thu Jun 14 11:30:36 CEST 2007


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Berlin, den 14. Juni 2007


Pressemitteilung RAV

UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und
Staatsanwälten fordert eine unabhängige Untersuchung der Anzeige gegen
US-Verteidigungsminister Rumsfeld u.a. wegen Folter und Kriegsverbrechen

Antrag auf erneute Prüfung der Anzeige durch Generalbundesanwältin

Genf – Berlin – New York, Montag, den 11. Juni 2007

Der Dachverband der Internationalen Liga für Menschenrechte, Paris (FIDH),
das Center for Constitutional Rights, New York (CCR) und der Republikanische
Anwältinnen- und Anwälteverein, Berlin (RAV) begrüßen den Jahresbericht von
Leandro Despouy, UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von
Richtern und Staatsanwälten. Despouy kritisiert in seinem Bericht die
fehlende Unabhängigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden, die in der
Abweisung der Anzeige gegen den ehemaligen Verteidigungsminister der
Vereinigten Staaten von Amerika, Donald H. Rumsfeld und anderen wegen des
Verdachts von Verstößen gegen das Folterverbot zum Ausdruck kommt.

Der Bericht wird zum Anlass genommen, um gegen die Entscheidung der
Bundesanwaltschaft vom April 2006, in einer weiteren Anzeige gegen Rumsfeld
u.a. kein Ermittlungsverfahren einzuleiten, Gegenvorstellung einzulegen.

Am 27. Februar 2006 reichten die FIDH, das CCR und der RAV erstmalig eine
Beschwerde beim UN-Sonderberichterstatter Despouy ein. Die Beschwerdeführer
kritisierten, dass der damalige Generalbundesanwalt Nehm die von irakischen
Folteropfern im November 2004 gegen US-Verteidigungsminister Rumsfeld u.a.
erstattete Strafanzeige wegen Folter und Kriegsverbrechen aus politischen
Gründen am 10. Februar 2005 eingestellt hatte. Die Beschwerde wurde dem
UN-Sonderberichterstatter Leandro Despouy im Namen von irakischen Bürgern
überreicht, die während ihrer Inhaftierung durch das US Militär Opfer von
Folter sowie grausamer, unmenschlicher und entwürdigender Behandlung in dem
irakischen Gefängnis Abu Ghraib sowie anderen Hafteinrichtungen geworden
sind.

Die ursprüngliche Strafanzeige war auf der Grundlage des
Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) eingereicht worden. Dieses lässt in
Deutschland eine weltweite Strafverfolgung von Kriegsverbrechen, Verbrechen
gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu, unabhängig davon wo sie begangen
worden sind, „ (...) auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und
keinen Bezug zum Inland aufweist“.
Herr Despouy nahm am 11. Juni 2007 in seiner Rede zur Eröffnung der 5.
Sitzung des Menschenrechtsrates mit Sorge zur Kenntnis, dass die in seinem
Schreiben an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland bezeichneten
vermeintlichen Straftäter in den Vereinigten Staaten von Amerika bislang
nicht strafverfolgt wurden und darüber hinaus ein Gesetz verabschiedet, das
in seiner praktischen Anwendung dazu führt, dass die Ermittlungen gegen
hochrangige Offizielle vereitelt werden.
Der FIDH, das CCR und der RAV kritisierten in ihrer Beschwerde die fehlende
Unabhängigkeit des Generalbundesanwaltes, die in der politischen
Entscheidung, keine Ermittlungen aufzunehmen, zum Ausdruck kam. Der
Generalbundesanwalt kam seiner Pflicht, die angezeigten Kriegsverbrechen
unabhängig, neutral und objektiv zu ermitteln und zu verfolgen, nicht nach.

In Anbetracht neuer Informationen erstatteten FIDH, CCR und RAV zusammen mit
einem internationalen Bündnis renommierter Rechtsanwalts- und
Menschenrechtsorganisationen sowie 11 Folteropfern im November 2006 beim
Generalbundesanwalt in Karlsruhe erneut Anzeige gegen den
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld u.a. Ihnen wird in der 400-seitigen
Anzeige des Berliner Anwalts Wolfgang Kaleck (vgl. Wortlaut der Anzeige auf
www.rav.de) vorgeworfen, Kriegsverbrechen begangen sowie gegen die
UN-Anti-Folterkonvention verstoßen zu haben.

Am 27. April 2007 entschied die neue Generalbundesanwältin, Monika Harms,
erneut keine Ermittlungen einzuleiten. Die Generalbundesanwältin sieht
vorliegend keinen Zusammenhang zwischen den vorgeworfenen Taten und der
Bundesrepublik Deutschland.

Der Berliner Anwalt und Vertreter der Anzeigenerstatter, Wolfgang Kaleck,
nahm den von UN-Sonderberichterstatter Despouy veröffentlichten Bericht zum
Anlass, gegen die Entscheidung der Bundesanwaltschaft vom April 2007,
Gegenvorstellung einzulegen. "Die Generalbundesanwältin kommt erneut ihrer
Pflicht, angezeigte Kriegsverbrechen unabhängig, neutral und objektiv zu
ermitteln, nicht nach," so Rechtsanwalt Kaleck.

Herr Despouy äußerte in seinem Bericht die Hoffnung, dass diese Anzeige mit
der notwendigen Unabhängigkeit und in Einklang mit internationalen Regeln
und Standards geprüft wird.

Das FIDH, das CCR und der RAV geben folgende gemeinsame Erklärung ab:

·	Obwohl die strafrechtliche Verfolgung amerikanischer hochrangiger ziviler
und militärischer Vorgesetzter vorrangig durch Behörden der Vereinigten
Staaten von Amerika erfolgen sollte, ist der Unwille der dortigen Behörden
gegen diese Personen strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten
offensichtlich.
Auch eine Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof kommt nicht
in Betracht, da die Bush-Regierung die Unterzeichnung des Römischen Statuts
wirksam zurückgezogen und eine Ratifizierung ausgeschlossen hat.
Deutschland muss daher stellvertretend für die internationale
Staatengemeinschaft die Strafverfolgung übernehmen, um zu verhindern, dass
die angezeigten Taten ungesühnt bleiben.

·	Das FIDH, das CCR und der RAV fordern alle Mitglieder des
Menschenrechtsrates dazu auf, auf den Bericht des UN-Sonderberichterstatter
Despouy zu reagieren und:
-	die Pflicht der Staatsanwaltschaft, unabhängige Ermittlungen zu führen, zu
bestätigen, im Speziellen bei der Verfolgung von Folter und Kriegsverbrechen
durch hochrangige Vorgesetzte;
-	seine Bedenken und Vorschläge im Zusammenhang der vorliegenden Verstöße
durch die Regierung der Vereinigten Staaten und des deutschen Justizsystems
vorzutragen.


Berlin, 12. Jun. 2007




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