[imc-presse] WG: Pressemitteilung RAV: Null Toleranz für Versammlungsfreiheit

RAV Berlin RAVeV at t-online.de
Mon Dec 17 14:18:12 CET 2007


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Hannes Honecker [mailto:anwalt.honecker at t-online.de]
Gesendet: Montag, 17. Dezember 2007 12:54
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Betreff: Pressemitteilung RAV: Null Toleranz für Versammlungsfreiheit



Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Greifswalderstrasse 4
10405 Berlin

Tel. 030 41 72 35 55
Fax: 030 41 72 35 57

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) -
Pressemitteilung




Null Toleranz für die Versammlungsfreiheit ?



Demonstration „Gegen Sicherheitswahn und Überwachungsstaat“ am 15. Dezember
in Hamburg:

Grundrechte mit Polizeistiefeln getreten



„Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer
Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken
entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner
entsprechenden Grundrechte (Art 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur
die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern
auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare
Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit
seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“



Auf den Tag genau 24 Jahre vor der Demonstration „Gegen Sicherheitswahn und
Überwachungsstaat“, am 15. Dezember 1983, gab das Bundesverfassungsgericht
der Politik diesen Satz als Leitlinie auf. Der Befund am 15. Dezember 2007:
auf – nach Polizeizählung – 3.000 Demonstranten kamen 2.500 Polizisten. Zum
Auftakt und während des Versuchs, der angemeldeten Route zu folgen, filmten
alle 30 Meter Beamte mit der Videokamera. Die Demonstrationsmenge war ab dem
Auftakt an der „Roten Flora“ von einer erdrückenden Macht grün und schwarz
martialisch ausgerüsteter Polizei umkesselt.



Wer da nicht weglief, musste ein ernstes Anliegen haben.



Die überwiegend sehr jungen Menschen wandten sich gegen die inzwischen
allgegenwärtige Überwachung und gegen eine „Sicherheits“-politik, die
Grundrechte täglich missachtet sowie gegen die strafrechtliche Verfolgung
linker politischer Opposition mit den Mitteln angeblicher Terrorabwehr und
dem § 129 a StGB.



Es gibt allen Grund, auf die Straße zu gehen:

Rasterfahndung, großer Lauschangriff, Luftsicherheitsgesetz,
Feindstrafrecht, Terrorismushysterie, zentrale Schülerdatei,
Anti-Terror-Datei; Online-Durchsuchung - Bundestrojaner; Relativierung der
Unschuldsvermutung; Telekommunikationsüberwachung; BKA-Gesetzentwurf mit der
fast unbegrenzten Befugnis zur präventiven heimlichen Ermittlung,
Zollfahndungsgesetz mit Einsatz als Polizeieinheit und Geheimdienstfunktion
mit verdachtsunabhängiger Überwachung; Leitlinien zur Zentralisierung von
Polizei, Militär und Geheimdiensten, Zentralisierung der Melderegister,
Zensus 2011. Ist das noch Demokratie?



Anwältinnen und Anwälte für Demokratie und Menschenrechte (RAV) beobachteten
die Demonstration vom Auftakt um 13.00 Uhr bis zur vorzeitigen Auflösung am
Millerntor gegen 17.00 Uhr und kamen zu folgendem Schluss:



Die Wahrnehmung des Rechts auf freie Demonstration wurde am 15. Dezember
2007 von der Polizei verhindert. Die versammelte Menschenmenge wurde von
mehreren Reihen uniformierter Polizei angeführt und in einem „Wanderkessel“
eskortiert, aus dem es keinen freien Zu- und Abgang gab. Als weitere
Drohkulisse dienten auf die friedliche Versammlung gerichtete Wasserwerfer.
Die Möglichkeit für interessierte Bürger, das Thema der Demonstration und
die Transparente zu erkennen, war durch die Abschirmung durch Polizei fast
genauso ausgeschlossen wie die Möglichkeit, sich dem Zug zustimmend
anzuschließen.



Dies kommentiert Rechtsanwältin Heinecke (Mitglied im Vorstand des RAV):
„Der 15. Dezember in Hamburg war eine unverhältnismäßige,
demokratiefeindliche Demonstration von Staatsmacht, die bei Bürgerinnen und
Bürgern zu Gefühlen von Ohnmacht und Sprachlosigkeit führen muss. Sie hat
nichts mehr mit dem zu tun, was das Bundesverfassungsgericht 1985 in der
Entscheidung Brokdorf festgeschrieben zur gesellschaftlichen Bedeutung von
Versammlungen festgeschrieben hat: ein „Stück ursprünglich-ungebändigter
unmittelbarer Demokratie“ zu sein, das geeignet ist, „den politischen
Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren".



Ein Innensenator, der diesen massiven Verfassungsbruch zu verantworten hat,
ist eine unmittelbare gegenwärtige Gefahr, der es entgegenzutreten gilt und
dessen sofortige Ablösung ein notwendiges und richtiges Signal wäre.





Berlin, den 17. Dezember 2007



Nachfragen an



Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, RaeHeineckeKoll at web.de, 040-41 35 900

Rechtsanwältin Britta Eder, eder.britta at hamburg.de, 040-32 033 756

Rechtsanwältin Ulrike Donat, u.donat at hamburg.de,  Tel.mobil 0171-7175913


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