[Pressemitteilung] Haarsträubende Gerichtsverfahren gegen 5 Gegner des Natogipfels in Strasbourg, Pressekonferenz, heute, Mittwoch 6.5, um 11.00 Uhr
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Mi Mai 6 08:54:53 CEST 2009
Pressemitteilung vom Legalteam Strasbourg und Gefangenensolidaritätsgruppen
aus Frankreich und Deutschland vom 6.5.2009
Einladung zur Pressekonferenz, heute, Mittwoch 6.5, um 11.00 Uhr,
Haupteingang des Gerichtgebäudes Grande Tribunal,
1, quai Finkmatt, Strasbourg
Haarsträubende Gerichtsverfahren gegen 5 Gegner des Natogipfels in
Strasbourg
Am gestrigen Tage fand vor dem Großen Tribunal in Strasbourg die
Hauptverhandlung gegen fûnf Aktivisten statt, die im Rahmen der
Gipfelproteste von der Polizei festgenommen wurden. Vier von ihnen saßen
seit dem Nato-Gipfel im Gefängnis, sie hatten damals ein unwürdiges
Schnellverfahren abgelehnt. Dieses Verfahren hätte nur eine unzureichende
Verteidigung ermöglicht. Der 5. Angeklagte konnte aufgrund gesundheitlicher
Einschränkungen das Gefängnis bis zum Prozess verlassen.
Gegen diesen Franzosen aus Toulouse fand heute morgen der erste Prozess
statt. Er war angeklagt, ein Schweizermesser mit lediglich 7 cm Länge bei
sich gehabt zu haben. Der Staatsanwalt forderte 3 Monate Haft auf Bewährung
und zusätzlich 300 Euro Geldstrafe. Der Richter kündigte eine Entscheidung
für den 25. Juni an.
Am Nachmittag begann unter Teilnahme von mehr als 100 AktivistInnen, die vor
dem Gerichtsgebäude ein Solidaritätspicknick veranstalteten, der Prozess
gegen drei Männer aus Tours. Diese wurden auf einem Supermarktparkplatz
verhaftet aufgrund deslächerlichen Vorwurfs, mit soeben gekauftem
Terpentinersatz und Waschlappen Mollotowcocktails bauen zu können. Auch
wenn dies mit diesen Materialien technisch unmöglich ist, kamen die Leute
nach einem Monat Untersuchungshaft nur aufgrund von juristischen Formfehlern
frei
(mussten aber bis zum gestrigen Tage in Untersuchungshaft bleiben). Auch
sieht das gestern gesprochene Urteil vor, dass die Staatsanwaltschaft das
Verfahren erneut aufnehmen kann.
Als letztes wurde gestern gegen einen 29 jährigen Berliner verhandelt.
Diesem warf die Staatsanwaltschaft einen Steinwurf vor. Ausserdem wurde ihm
zur Last gelegt, bei der folgenden Verhaftung, einem Polizisten das
Handgelenk gebrochen zu haben. Er erhielt eine Strafe von 6 Monten ohne
Bewährung. Zusätzlich soll er 1000 Euro Anzahlung leisten für die
Untersuchungskosten des gebrochenen Handgelenks. Dieses Urteil kam zustande
aufgrund von z. T. wiedersprüchlichen Aussagen. Selbst der betroffene
Polizist beschrieb, dass er ausrutschte und sich dabei verletzte. Die
Polizeizeugen machten vor Gericht einen unglaubwürdigen Eindruck, da alle
behaupteten, den Aktivisten aus über 100m Entfernung an seiner Haartracht
innerhalb einer 700 Personen starken Gruppe erkannt zu haben, obwohl dieser
eine Kopfbedeckung trug. Entlastende Zeugen wurden nicht zugelassen und auch
der Angeklagte durfte nicht über alles, was vorfiel, aus seiner Sichtweise
berichten.
Unabhängige Prozessbeobachter hatten bei allen Prozessen den Eindruck, das
die offensichtlich zufällig herausgegriffenen Angeklagten reine
Sündenbockfunktion hatten. Die gestrige Verhandlung war eine reine Farce.
Den Richter schienen die Aussagen von Entlastungszeugen nicht zu
interessieren, sein Urteil stand schon im Vorhinein fest. Man merkte auch
deutlich, wie stark die Äusserung von Sarkozy, dass er persönlich für
Höchststrafen sorgen wolle, Einzug in die Gerichtsstuben hielt. Kann da
noch von richterlicher Unabhängigkeit gesprochen werden.?
Ausserdem wird von Regierungskreisen mit medialer Unterstützung ein fester
gewaltbereiter Zusammenhang konstruiert, der sich z. B. durch das Tragen
schwarzer Kleidung manifestiert. Dieses wird in ihren Augen hauptsächlich
als deutsches Phänomen gesehen, das dann für alle Ausschreitungen in
Frankreich verantwortlich gemacht wird. Bei den Richtern fiel dieses auf
fruchtbaren Boden, da nicht nur beim gestrigen Prozess, sondern auch
während der Schnellverfahren auf die getragene Kleidung mehr Bedeutung
gelegt wurde, als auf handfeste Beweise. Es fiel auf, das bei gleichem
Tatvorwurf und gleicher Beweislage die deutschen Angeklagten härter
bestraft wurden als die
französischen.
Die jetzt vor Gericht zu erkennende Ungleichbehandlung, die der auf den
Gipfel folgenden französischen Regierungslinie folgte, mag auch mit der
Überheblichkeit der deutschen Polizei zusammenhängen, die trotzig
behauptete, die Anti-NATO-Proteste jederzeit im antidemokratischen Griff zu
haben, während dessen in Frankreich der Protest sich nicht unterdrücken
liess.
Das Legalteam und die Solidaritätsgruppen aus Deutschland und Frankreich
lassen sich nicht in diese nationale Kategorien spalten.
Uneingeschränkte Solidärität für alle Gefangenen!
Für weitere Informationen rufen Sie bitte unsere Nummer vom Legalteam an:
0033-368460262
mail legalteam-strasbourg at effraie.org
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