[Pressemitteilung] "Militante Kampagne gegen G8": §129a-Verfahren eingestellt

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Mi Okt 1 17:46:33 CEST 2008


* §129a-Verfahren "Militante Kampagne gegen den G8-Gipfel" eingestellt
* Erklärung Betroffener

Presseerklärung Hamburg, 1. Oktober 2008

Das mit den bundesweiten Durchsuchungen am 9. Mai 2007 bekannt gewordene
§129a-Verfahren (Bildung einer terroristischen Vereinigung) ist am 24.
September 2008 eingestellt worden.

Es wurden 18 Personen beschuldigt einer „militanten Kampagne gegen den
G8-Gipfel“ anzugehören.

Der BGH hatte bereits mit Beschluss vom 20.12.07 entschieden, dass
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß §129a STGB schon aus
rechtlichen Gründen ausscheide, aber auch keine hinreichende Verdachtslage
hinsichtlich der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß §129 STGB gegeben
sei. Daraufhin gab die BAW das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Hamburg ab.
Diese zögerte die Einstellung nahezu 9 Monate hinaus. Erst mit Bescheid vom
24.9.08 wurde das Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen
Vereinigung bei allen Betroffenen ohne jede Begründung eingestellt.

Das Rad der Geschichte lässt sich nicht so einfach zurückdrehen – und das ist
auch gar nicht beabsichtigt. BAW, VS, BKA und LKA haben zumindest teilweise das
erreicht, was sie vorhatten. Sie haben Daten gesammelt, Strukturen
durchleuchtet, bundesweit ein Manöver durchgeführt, um ihre Apparate zu
koordinieren und die Funktionsfähigkeit auszuprobieren, und sie haben die
politische Konsensfähigkeit ihrer Strategien ausgetestet. Und sie haben
versucht, eine Stimmung der totalen Kontrolle und Überwachung zu verbreiten.

Die Auswirkungen auf uns - die Verfolgten - und auf die gesamte Gesellschaft
sind nicht zu ignorieren und sind durch den BGH-Beschluss und den der
Staatsanwaltschaft Hamburg nicht rückgängig zu machen.

Der größte Teil der Ermittlungen ist vom Verfassungsschutz durchgeführt worden
und Ergebnisse und Handlungsvorschläge wurden dem BKA zur Verfügung gestellt.
Das ist aus den Akten ersichtlich. Hier wird eine sehr enge Zusammenarbeit von
Geheimdienst und Polizei sichtbar. Nicht zufällig wurde nach dem zweiten
Weltkrieg – als Reaktion auf den deutschen Faschismus und den unsäglichen
Erfahrungen mit dem allmächtigen „Reichssicherheitshauptamt“ - die Arbeit von
Geheimdienst und Polizei per Festlegung der Allliierten 1949 getrennt. Das
scheint heute aber keine Rolle mehr zu spielen. (siehe
http://www.cilip.de/terror/vdj.htm )

Weiter wurden auch Ermittlungen des Staatssicherheitsdienstes der früheren DDR
(STASI) herangezogen. Aus den Ermittlungs-Akten wird auch ersichtlich, dass das
BKA unmittelbar mit Sozialamt, Arbeitsamt, Finanzamt, Verkehrsamt, Ordnungsamt,
Versicherungen, Ausländerbehörde und Banken usw. zusammenarbeitete.

Kein anderer Paragraf eröffnet dem Staatsschutz so viele Möglichkeiten an
Überwachung und Ausforschung wie der § 129a oder b. Im Rahmen der aktuellen
Verfahren hat er über einen langen Zeitraum seine ganzen technischen
Möglichkeiten ausgeschöpft. Flächendeckende Observationen, Telefonüberwachung,
e-Mail Überwachung, Postüberwachung, Filmaufnahmen, Peilsender, Rasterfahndung,
Einsatz verdeckter Ermittler, Verwertung geheimdienstlich erlangter
Informationen (nach dem G10-Gesetz), Aufhebung des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses, akustische Raumüberwachung, großer Lauschangriff usw.

Diese Überwachungsmaßnahmen haben weit mehr Leute getroffen als die unmittelbar
Beschuldigten.

Aber uns scheint, dass zumindest ihr Konzept der Einschüchterung, Verunsicherung
und Spaltung des Widerstandes nicht aufgegangen ist.

Große Teile der Öffentlichkeit reagierten mit Unverständnis und Protest. Wir
haben viel Unterstützung erfahren. Ein Ausdruck davon sind die vielen
Solidaritätserklärungen, Veranstaltungen und Demonstrationen, wie die
Demonstration am 15. 12. 07 in Hamburg unter dem Motto: »gegen den
kapitalistischen Normalzustand, gegen Überwachungsstaat und Repression«. Die
Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm bekam einen neuen Schub.

Der Stein, den sie gegen uns erhoben haben ist auf ihre eigenen Füße gefallen.
Sorgen wir dafür, dass das so weitergeht.

Einer der Beschuldigten – unser Freund und Genosse Joachim Täubler – ist für uns
alle vollkommen unerwartet gestorben. Er war der staatlichen Überwachung, wie
Verwanzung der Wohnung, Videoüberwachung des Hauseinganges, besonders stark
ausgesetzt. Wir fühlen uns mit seinen politischen Ideen und Aktivitäten
weiterhin stark verbunden.

Solidarische Grüße an Axel, Florian und Oliver. Sie stehen zur Zeit mit der
Anklage §129 STGB (kriminelle Vereinigung) – Mitgliedschaft in der mg
(militante gruppe) – und versuchter Brandstiftung gegen Militärfahrzeuge in
Berlin vor Gericht. Wegen Widerstand, der das Ziel hat, die Gewalt des Krieges,
die Kriegswirtschaft, sowie das Militär anzugreifen, um eine Situation der
Besatzung, der Ermordung von Zivilist_innen und die Zerstörung ihrer
Lebensgrundlagen zu unterbinden.


Einige Betroffene des nun eingestellten §129(a)-Verfahrens.


Mehr zu dem Verlauf des Verfahrens findet sich im Internet, u.a. auf folgender
Seite: "http://www.Maus-Bremen.de":http://www.Maus-Bremen.de (im Menü unter:
„Zu den bundesweiten Razzien am 9.5.07“).

Bei weiteren Fragen: Ra. Andreas Beuth, Ra.'in Britta Eder 040 320 33 756, Ra.
Dirk Audörsch 040 317 01 800, Ra. Hendrik Schulze 040 399 05 407, Ra. Marc
Meyer 040 399 05 407