[Pressemitteilung] Die Beobachtungen aus den G8 Verfahren bestätigen: Repression gegen G8 GegnerInnen ist willkürlich. Nur knapp 3 % der Ermittlungsverfahren hielten juristischer Überprüfung stand.

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Do Jun 5 12:53:02 CEST 2008


Prozessbeobachtungsgruppe Rostock
Kontakt: Dieter Rahmann - Tel: 0179-6268785 

Pressemitteilung vom 5.6.08 

Die Beobachtungen aus den G8 Verfahren bestätigen: Repression gegen G8 
GegnerInnen ist willkürlich. Nur knapp 3 % der Ermittlungsverfahren hielten 
juristischer Überprüfung stand. 

Ein Jahr nach dem G8 Gipfel in Heiligendamm geht die 
Prozessbeobachtungsgruppe Rostock mit einer ersten vorläufigen 
Zusammenfassung der Repression gegen G8-Gegner an die Öffentlichkeit.
Dabei bleibt festzustellen. „Es war mit gut 1000 Ingewahrsamnahmen, nahezu 
ebensovielen Platzverweisen, ca. 1600 Ermittlungsverfahren gegen zumeist 
nachweislich unschuldige G8-Gegner ein Gipfel der Superlative, was 
Repression, Polizei und Justizwillkür angeht“,  so Dieter Rahmann von der 
Prozessbeobachtungsgruppe. Dass nur deutlich unter 3 % der eingeleiteten 
Ermittlungsverfahren einer juristischen Überprüfung vor Gericht 
standhielten und zu einer Verurteilung führten, belegt einmal mehr die 
Willkür des polizeilichen Ermittlungsapparates. Dass unter diesen 3 % 
allerdings auch solche Verurteilungen zu finden sind, wie Bewaffnung mit 
Kleinstschutzbrillen, usw. zeugt davon, dass es unter den Rostocker 
RichterInnen genügende gibt, die die Vorgaben der Staatsanwaltschaft 
vorbehaltlos übernehmen. Dass aber ganz viele Verfahren auch nicht zu 
Verurteilungen führten, erklärt sich die Rostocker Antirepressionsgruppe 
mit dem öffentlichen Interesse an vielen Prozessen. Die z. T. sehr 
dilettantischen Ermittlungen der Polizei( protokollierende Beamte wurden als 
Zeugen aufgewertet, Beweismittel sind mehrfach verschwunden, 
plastikumwickelte Eddings wurden als Brandsätze in den Ermittlungsakten 
aufgeführt.) ließen den Richtern aufgrund öffentlichen Drucks nur noch 
den galanten Ausweg, das Verfahren einzustellen. „Wohl selten hat es ein 
politisches Großereignis gegeben, bei dem dermaßen viele 
Ermittlungsverfahren eingestellt wurden, was natürlich trotzdem bei den 
Betroffenen Kosten und Nerv bedeutet.“ 

Im Schatten der Strafprozesse stehen die unzähligen Verfahren vor dem 
Verwaltungsgericht um Platzverweise und Freiheitsentziehungen. Bislang sind 
fast alle Platzverweise, die von den Betroffenen angefochten wurden, von den 
Verwaltungsgerichten für rechtswidrig erklärt worden. Bei den 
Freiheitsentziehungen sieht es ähnlich aus. Nur die sehr geringe Anzahl von 
Freiheitsentziehungen,  bei denen der Vorwurf des Landfriedensbruchs im Raum 
stand, wurden vom Gericht bestätigt. Nahezu alle anderen haben die Gerichte 
für illegal erklärt. Darunter sind zum Beispiel solche Fälle, dass 
schwarz gekleidete Personen, die im Raum Rostock mit einer  Sonnen- oder 
Schwimmbrille oder einem Tuch, Handschuhen oder einer Regenhose etc. 
angetroffen wurden, für mehrere Tage in Polizeikäfigen eingesperrt wurden. 

Erst jetzt – 1 Jahr nach dieser Polizeirepression - werden die 
Verfehlungen der Polizei Thema vor den Gerichten. Generell lässt sich 
feststellen, dass mehrere Anzeigen gegen  Polizeibeamte von der 
Generalstaatsanwaltschaft ohne gewissenhafte Prüfung eingestellt wurden. 
Pauschale Begründung ist ein übergesetzlicher Notstand, der offensichtlich 
ein polizeiliches Handeln außerhalb gesetzlicher Normen erlaubt. Die 
Staatsanwaltschaft findet z. B. nichts Kritikwürdiges an der 
Festnahmepraxis von Polizisten einer Berliner Einsatzhundertschaft, den 
Festzunehmenden zu „beruhigen“, indem man ihm einen Faustschlag ins 
Gesicht verpaßt. Von den knapp hundert Anzeigen gegen Polizisten sind die 
meisten inzwischen mit ähnlich hanebüchenen Begründungen eingestellt 
worden. Bei anderen, wie z.B. bei der Wasserwerferbesatzung, die einem 
Demonstranten ein Auge verletzte, wird das Verfahren verschleppt.
Es werden neben der Anzeige gegen Polizisten einige sog. 
Fortsetzungsfeststellungsverfahren geführt, bei denen nicht ein eventuell 
strafbares Handeln einzelner Polizeibeamter überprüft, sondern die 
Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes festgestellt werden soll. Meist geht 
es dabei um Freiheitsberaubung, die Unterbringung in Käfigen, sexuelle 
Demütigungen im Gewahrsam oder um Verlängerung des Gefängnisaufenthaltes, 
obwohl Richter die Freilassung verfügten usw. Diese Verfahren werden 
allerdings nach Auffassung der Prozessbeobachtunggruppe Rostock nicht 
ernsthaft angegangen. Zum Teil wird den Anwälten erst nach Monaten 
Akteneinsicht gewährt. 

Die Repression vor, während und nach dem G8, die zugrunde liegenden 
Polizeistrategien, deren Weiterentwicklung und die Anzahl und Bewertung der 
Gerichtsverfahren werden Thema während einer Veranstaltung der Roten Hilfe 
Rostock am 7 Juni um 20 Uhr in der Petri Kirche Rostock sein, zu der Sie 
hiermit auch eingeladen sind. 

ANHANG
(Statistischen Basismaterial im Einzelnen) 

Strafverfahren gegen G8 GegnerInnen:
Von den ca.1600 Ermittlungsverfahren waren Ende Mai gut 1496 bei der 
Staatsanwaltschaft Rostock angesiedelt, 48 davon befinden sich noch im 
Ermittlungsstadium. Von den mit Stand vom 15.11. eingestellten 1086 
Verfahren sind 773 Verfahren eingestellt worden, weil Straftatbestände 
schlicht ausgedacht wurden, ohne Beweise dafür zu haben, lediglich 158 
wegen geringer Schuld oder zu aufwändigen Ermittlungen, nur 21 
Einstellungen wurden gegen Auflagen eingestellt.  65 Verfahren wurden von 
anderen Staatsanwaltschaften bearbeitet. Bis jetzt hatte
es lt. Staatsanwaltschaft 176 gerichtshängige Verfahren gegeben, die in 84 
Fällen zu einem Urteil führten. Daraus ergibt sich daraus eine Urteilsrate 
von ca 5 % . 

Nach unseren eigenen Recherchen sind uns 61 Verfahren zum G8 vor den 
Amtsgerichten bekannt geworden, davon sind 23 durch Urteile und 16 durch 
Beschlüsse abgeschlossen worden, weitere 6 uns bekannte Verfahren laufen 
noch vor den Amtsgerichten, 3 Verfahren befinden sich in der 
Berufungsinstanz. Von 13 weiteren ehemals gerichtshängigen Verfahren wissen 
wir nichts.
Von den 23 Urteilen waren 9 Haftstrafen zumeist auf Bewährung, ausnahmslos 
wegen schweren Landfriedensbruch. Es gab 4 Geldstrafen, eine wegen 
Beleidigung, eine wegen Verstosses gegen das  Schutzwaffenverbot auf 
Demonstrationen, eine wegen Körperverletzung und eine wegen  
Landfriedensbruchs. Allerdings gab es auch 10 Freisprüche, und zwar vom 
Vorwurf  der Vermummung(2), dem Schutzwaffenverbot(Beissschiene)(1), der 
Körperverletzung(1), des Hausfriedensbruchs(5) und der Nötigung(1)(in 
dessen Folgen 100 weitere Verfahren eingestellt werden mußten).
Von den 32 Verfahrenseinstellungen fanden 16 vor Gericht und 16 im 
vorprozessualen gerichtlichen Schriftverkehr statt. Hauptsächlich wurden 
Verfahren eingestellt wegen Vermummung (8), Schtzwaffenverbot(6) und 
gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr (8).
Obwohl wir uns um Auskunft bei Gerichten bemüht haben, wissen wir von 
vielen Prozessen nichts. Insbesondere sind dies „kleine Verfahren“, wie 
z. B. Bußgeldverfahren über 50 Euro, gegen den vermutlich noch nicht mal 
Einspruch eingelegt wird, weil die Prozesskosten viel höher wären. Diese 
tauchen in unserer Statistik daher nur in sehr geringem Umfang auf.
Trotzdem können wir aus den uns bekannten Gerichtsverfahren durchaus 
Plausibilitäts-rückschlüsse ableiten. Wenn man z. B. die Quote von 13 
Verurteilungen bezogen auf 23 Urteile zugrunde legt, käme man bei der 
gleichen Quote bei 84 Verfahren auf ca. 47 Verurteilungen. Bei einer 
Gesamtzahl von 1600 bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Verfahren wäre 
dieses eine Verurteilungsquote von unter 3 %. Unter diesen 3 % befinden sich 
aber nicht nur die sog „harten Gewalttäter“ sondern z. B.  auch 
Verurteilungen wegen Mitsichführens von Sonnenbrillen, Handschuhen und 
Halstüchern, fernab von jeder Demonstration. Wenn die Staatsanwaltschaft 
lediglich von 84 Verurteilungen spricht, und nicht davon, welche Straftat 
dem zugrunde liegt, entwirft dieses ein sehr ungenaues Bild von der Anzahl 
der angeblich „harten Straftäter“. Immerhin gibt die sehr geringe Zahl 
tatsächlicher Verurteilungen einen deutlichen Hinweis darauf, daß die 
meisten Verfahren nicht geführt wurden, um Menschen zu verurteilen, sondern 
um einzuschüchtern und polizeiliche Masseningewahrsamnahmen zu 
rechtfertigen. 

Freiheitsentziehungsverfahren
Von den gut 1000 Freiheitsentziehungen waren laut Auskunft des Amtsgerichtes 
Rostock in der Protestwoche 586 Gegenstand eines gerichtlichen 
Überprüfungsverfahrens. Lediglich 158 von der Polizei gestellte Anträge 
auf Gewahrsamsverlängerung wurden angenommen. Die übrigen Anträge wurden 
entweder abgelehnt(163) oder aber von der Polizei binnen kurzem wieder 
zurückgenommen(273), als sich abzeichnete, daß diese vor Gericht nicht 
standhalten würden. Gegen 102 der genehmigten Gewahrsamsverlängerungen 
wurden Beschwerden  beim Landgericht eingelegt, 45 mal wurden die Gefangenen 
aufgrund eines folgenden Gerichtsbeschlusses entlassen, lediglich 15 mal 
wurde der Gewahrsam bestätigt.
Von den 1000 Ingewahrsamnahmen sind es also tatsächlich  gerade mal 7 %, 
die überhaupt eine überprüfte Rechtsgrundlage hatten.
Da viele Gefangene schon vor der Entscheidung über Entlassungsanträge 
freigelassen wurden, sind diese Anträge inzwischen zu 
Fortsetzungsfeststellungsklagen umgewandelt worden. Nach unserer Recherche 
sind inzwischen ein gutes Duzend solcher Fortsetzungsfeststellungsklagen 
anhängig, zumeist aus  dem Fall der polizeilichem Massenfestnahme von 191 
Personen am 7.6 im Wald von Wichmannsdorf. 

Platzverweise
Von 11 uns bekannten Verfahren bezüglich der Platzverweise wurde bei 4 
Verfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs 
hergestellt. 2 Verfahren befinden sich in der Klage gegen die Polizei, bei 
den restlichen 5 Verfahren hat die Polizei die  Rechtswidrigkeit der 
Platzverweise anerkannt, damit bleibt die Polizei auch auf den 
Verfahrenskosten dafür hängen.
Gerade bei Platzverweisen und Freiheitsentziehungen kann man auf ganzer 
Linie von einem totalen Mißbrauch dieser Instrumente durch die Polizei 
sprechen. Lediglich in ganz wenigen Fällen, bei denen Personen wegen 
schwerer Vorwürfen, wie z. B. Landfriedensbruch  in Haft genommen wurden, 
sind die Ingewahrsamnahmen durch Gerichtsbeschluß bestätigt worden.

Eigene Strafanzeigen gegen einzelne Polizeibeamte
Die meisten der ca. 100 gestellten Anzeigen sind bisher eingestellt worden.
Es laufen noch:
1 Anzeige wegen Körper(Augen)verletzung durch eine Wasserwerfereinheit
2 Anzeigen wegen  Freiheitsberaubung, weil Gefangene trotz richterlicher 
Freilassungsanordnung länger eingesperrt blieben
1 Anzeige wegen Körperverletzung einer Journalistin
1 Anzeige wegen zu langer Haft, da der Verhaftete vor Gericht freigesprochen 
wurde        .
7 Anzeigen wegen Unterschlagung (von sichergestellten Sachen)
1 Anzeige wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung im Zuge einer 
Personenkontrolle in Vorderbollhagen
1 Strafanzeige wegen Mißhandlung 

Fortsetzungsfeststellungsklagen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von 
Polizeieinsätzen
Fortsetzungsfeststellungsklagen richten sich gegen
 -    Beschlagnahme von Geld (Polizisten eignen sich 50 Euro von einem 
Demonstranten an)
von der Einbehaltung von Funkgeräten des Campschutzes Rostock
3 mal von sexueller Demütigung durch die Polizei im Gewahrsam
Unterbringung der Gefangenen in Käfigen
mehr als 9 mal Freiheitsberaubung im Zuge der Massenfestnahme im 
Wichmannsdorfer Wald.