[Pressemitteilung] G8 Repression: Mit Kanonen auf Spatzen geschossen. 3 Strafverfahren gegen Gipfelgegner eingestellt

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Di Dez 18 16:53:01 CET 2007


Prozessbeobachtungsgruppe Rostock: 

Pressemitteilung: G8 Repression: Mit Kanonen auf Spatzen geschossen
                            3 Strafverfahren gegen Gipfelgegner eingestellt. 

Die ehemalige G8-Polizeitruppe Kavala hat heute erneut eine Niederlage vor 
dem Rostocker Amtsgericht hinnehmen müssen. Staatsanwaltschaft und Gericht 
einigten sich heute unter dem vorsitzenden Richter Klimasch und Staatsanwalt 
Herrn Spieß darauf, 3 Verfahren gegen G8 Gegner wegen geringer Schuld, bzw. 
schwieriger Beweisermittlung einzustellen. Zweimal erfolgten die 
Einstellungen ohne Auflagen, einmal sollte ein Angeklagter lediglich 300 
Euro Bußgeld an den Beratungsverein für Opfer rechtsextremer Gewalt 
„Lobbi e.V.“ zahlen. Von den ursprünglich von der Staatsanwaltschaft 
geforderten Strafbefehlen von bis zu 30 Tagessätzen blieb am Ende des 
Verhandlungstages mal wieder nichts mehr übrig, beschrieb ein Sprecher der 
Rostocker Prozessbeobachtungsgruppe das heutige Fiasko der 
Strafverfolgungsbehörden.

Dem ersten Angeklagten wurde vorgeworfen, gegen das Schutzwaffenverbot bei 
Teilnahme an Versammlungen verstoßen zu haben. In seinem Auto wurde im 
Rahmen einer Fahrzeugkontrolle, ein Teleskopschlagstock gefunden, der aber 
juristisch nicht eindeutig als Waffe zu bezeichnen war. Dabei blieb unklar, 
inwieweit diese Situation mit den G8 Protesten im Zusammenhang stand. 
Aufgrund rechtlicher Probleme bei der Tatbestandsbewertung erfolgte eine 
Einstellung ohne Auflagen. 

Im folgenden Strafverfahren wurde einem 20jährigen Heranwachsenden 
vorgeworfen, während  seiner Festnahme den festnehmenden Beamten geschlagen 
zu haben. Nach Aussagen des Angeklagten, wurde er auf dem Nachhauseweg von 
einer Anti-G8 Veranstaltung am 3.6 im Rostocker Stadthafen im Rahmen eines 
Angriffs einer Polizeieinheit aus Göppingen zu Boden geworfen, an der 
Schläfe verletzt und musste sofort wegen Verdachts auf Gehirnerschütterung 
ins Krankenhaus eingeliefert werden. Der Angeklagte wurde nach eigenen 
Worten gefesselt. Während eines folgenden Befreiungsversuches durch andere 
DemonstrantInnen soll er nach schriftlichen Aussagen zweier festnehmender 
Polizeibeamter einem davon ins Gesicht geschlagen haben. Der Heranwachsende 
bestritt die Tat. Im Übrigen, so führte er aus, konnte er gar nicht 
geschlagen haben, da seine Hände gefesselt waren. Für seine Unschuld 
fehlten ihm aber die Entlastungszeugen, daher, so der Richter, würden die 
schriftlichen Aussagen der beiden Polizisten schon sehr schwer wiegen.  Weil 
eine weitere, zudem sehr arbeitsaufwändige, reguläre 
Verfahrensfortführung, egal wie es für den Angeklagten ausgeht, enorme 
Erschwernisse mit sich bringt, z. B. Anreisekosten für Zeugen, Anwälte 
usw. stimmte der Angeklagte einer Verfahrenseinstellung mit der Auflage der 
Zahlung von 300 Euro an den Beratungsverein für Opfer rechtsextremer Gewalt 
„Lobbi e.V.“ zu. 

Im heutigen dritten Verfahren gegen einen 19 jährigen Heranwachsenden wurde 
diesem vorgeworfen, sich während der Auseinandersetzung auf der 
Großdemonstration am 2. Juni mit einem Schal vermummt zu haben, um sich 
einer Identifizierung zu entziehen. Der Angeklagte sagte, er hätte sich 
lediglich ein Tuch vor den Mund gehalten, um seine Schleimhäute vor dem 
Tränengas zu schützen, welches die Polizei großräumig  auf die 
Demonstranten spritzte. Da das von der Polizei beschlagnahmte 
Vermummungsobjekt zwischenzeitlich bei den Strafverfolgungsbehörden  
verlustig gegangen war, konnte nun nicht mehr geklärt werden, ob es 
tatsächlich ein Schal oder Tuch gewesen sei. Die Klärung dieser Frage 
hätte aber Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Aussage des 
Angeklagten gehabt. Auch gab es weder Bild- noch Fotomaterial von der 
Festnahme, wie dieses normalerweise üblich ist. Aufgrund dieser mangelnden 
Beweislage und weil eine eventuelle Schuld ohnehin nur sehr gering sein 
würde, stellten Staatsanwaltschaft und Richter das Verfahren ein. 

Richter Klimasch kommentierte diesen G8 Prozesstag mit Strafverahren gegen 
Heranwachsende mit den Worten: „Hier wurde mit Kanonen auf Spatzen 
geschossen.“
Die Einstellung aller heutigen Prozesse gegen heranwachsende Gipfelgegner 
hat einmal mehr gezeigt, dass Staatsanwaltschaft und Polizeitruppe Kavala 
keinen Anlass ausließen, um mit einer z. T. grotesk schlechten Beweislage 
Gipfelkritiker vor das Gericht zu zerren, obwohl von vornherein klar war, 
dass dies sowieso zur Einstellung führt, sobald sich die Betroffenen mit 
Einsprüchen zur Wehr setzen. Ziel war es offensichtlich, möglichst viele 
Verfahren gegen  Gipfelgegner in Gang zu setzen, in der Hoffnung, dass etwas 
hängen bleibt und man so die Kriminalitätsstatistik der G8-Proteste in die 
Höhe schrauben kann, so ein Sprecher der Rostocker 
Prozessbeobachtungsgruppe der G8 Kritiker. 

Prozessbeobachtungsgruppe Rostock
Infotelefon: 0179-6268785 (Dieter Rahmann)