[Pressemitteilung] G8-Repression: Landgericht Rostock hebt Haft-Urteil vom Schnellverfahren auf.

Gipfelsoli Infogruppe Presseverteiler gipfelsoli-presse at lists.nadir.org
Mo Dez 10 19:51:56 CET 2007


Prozessbeobachtungsgruppe Rostock 

Pressemitteilung: 

G8- Repression: Landgericht Rostock hebt Haft-Urteil vom Schnellverfahren 
auf. 

Unter Richter Scherhans hob das Landgericht Rostock eine 10 monatige 
Haftstrafe für einen 21 jährigen spanischen Gipfelkritiker auf. 
Stattdessen kam der Richter mit einem deutlich verringerten Strafmaß von 7 
Monaten und dessen Aussetzung auf 2 Jahre zur Bewährung dem Antrag der 
Verteidigung fast vollständig entgegen. Es sei, so der Richter, von einer 
günstigen Sozialprognose auszugehen. Der Mann seie strafrechtlich bislang 
noch nicht in Erscheinung getreten und habe sogar den ihm zur Last gelegten 
Steinwurf während der Demonstration am 2.Juni 2007 gegen den G8 Gipfel in 
Rostock noch vor der Beweisaufnahme eingeräumt. 

Während des Prozesses stellte sich heraus, daß der zweite Grund, der zur 
drakonischen Strafe im Schnellverfahren  führte, nämlich die gefährliche 
Körperverletzung des vom Stein getroffenen Polizisten, wohl eher dem 
Wunschdenken der ermittelnden Polizisten entsprang. Es konnte noch nicht mal 
ermittelt werden, welcher Polizist überhaupt vom Stein getroffen wurde, 
geschweige denn, ob es überhaupt eine Verletzung gab. So mußte auch 
Staatsanwalt Schrader den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung fallen 
lassen und plädierte noch im Verfahren seinerseits auf versuchte schwere 
Körperverletzung und Verringerung des Strafmaßes. 

Die Verteidigerin Silke Studzinsky kritisierte während des Prozesses das 
Schnellverfahren, welches in ihren Augen eher einem politischen Schauprozess 
entsprach, um dem Wunsch der Öffentlichkeit zu entsprechen, daß mit 
Straftätern kurzer Prozess gemacht werde. Dabei sind rechtsstaatliche 
Normen massiv mißachtet worden. So seien bei acht am 6.6 im Schnellvefahren 
abgeurteilten Demonstranten in keinster Weise auf deren besonderen 
individuellen Lebensumstände eingegangen worden, wie es bei der Frage der 
Aussetzung zur Bewährung rechtlich vorgeschrieben seie.
Daß darüber hinaus, so Studzinsky, in der Urteilsbegründung des 
Schnellverfahrensrichters ausgeführt wurde, daß eine Bewährung nicht 
gegeben werden könne, da der Angeklagte als Ausländer das Gastrecht 
mißbraucht habe, löste selbst beim Staatsanwalt Herrn Schrader 
Kopfschütteln aus. „Die Ausländereigenschaft dürfe nicht relevant bei 
der Strafzumessung sein“, so Schrader. 

Auch Richter Scherhans stimmte der Verteidigung in weiteren Punkten  bezgl. 
der Kritik am Schnellverfahren zu. Weder wurde das junge Alter des 
Angeklagten angemessen berücksichtigt,  noch sei überhaupt eine 
Sozialprognose erstellt worden.
Für die Prozessbeobachtungsgruppe Rostock alles in allem ein Schlag ins 
Gesicht der für den G8 extra installierten Kavala Justiz. Es wurde ein 
weiteres Mal deutlich, daß bei den damaligen Schnellverfahren überhaupt 
kein Interesse daran bestand, Straftbestände richtig zu beurteilen. Ziel 
war ausschließlich, der Öffentlichkeit schnell irgendwelche Menschen als 
Straftäter und harte Strafen präsentieren zu können, um so den Protest 
als kriminell zu stigmatisieren, egal ob und egal was die Angeklagten 
tatsächlich gemacht haben. Dabei schreckten die Schnellverfahrensrichter 
noch nicht einmal vor ausländerfeindlichen Argumentationen zurück, 
erklärte ein Sprecher heute gegen  Ende des Prozesses. 

Prozessbeobachtungsgruppe Rostock
(Kontakt: Dieter Rahmann 0179-6268785)