[Pressemitteilung] Neues Willkür-Urteil gegen G8-Gegner

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Fr Nov 16 14:11:06 CET 2007


[Prozeß-Beobachtungsgruppe Rostock]

Pressemitteilung 16. November 2007

* Neues Willkür-Urteil gegen G8-Gegner
* Richter ignoriert Entlastungszeugen
* Samstag Demonstration in Rostock

Vor der morgen in Rostock stattfindenden Antirepressions-Demonstration wurde
gestern im Amtsgericht Rostock ein weiterer G8-Demonstrant verurteilt.

Der Beschuldigte soll 30 Tagessätze a 15 Euro bezahlen, weil er sich während der
Demonstration am 2. Juni mit einem Halstuch vermummt habe. Auf Betreiben der
Prozeß-Beobachtungsgruppe Rostock wird dieses Urteil bei der
Landesjustizaufsicht auf Rechtsbeugung untersucht.

In dem mit 5 Zeugen, Video und Bildmaterial in insgesamt 2 Verhandlungstagen
sehr aufwändigen Prozeß gab es nur eine belastende Aussage. Ein Hannoveraner
Polizei-Zugführer behauptete, der Angeklagte habe sich am 2. Juni mit einem
Halstuch vermummt von der Abschlußkundgebung in Richtung Altstadt entfernt. Der
Zugführer sagte weiter aus, er habe den Angeklagten mit weiteren Personen bis
zur Festnahme lückenlos beobachtet und mit seiner Gruppe im Spalier begleitet
und später festgenommen.

In der Urteilsbegründung nahm der Richter nur auf diese Zeugenaussage Bezug und
ignorierte 4 entlastende Aussagen, darunter auch solche von Polizeikräften.
Videos und vom Festnahmeort gefertigte Bilder sagten gegenteiliges aus. Dem
Zugführer war die durch Bäume Sicht versperrt. Aus dem Video wurde ersichtlich
daß der Angeklagte nicht im Spalier begleitet wurde und der Zugriff zufällig
erfolgte.

„Mit diesem neuen skandalösen Willkür-Urteil sorgt die Justizbehörde für einen
neuen Mobilisierungsschub zur morgigen Demonstration“, kommentiert die
Prozeß-Beobachtungsgruppe.

Die Demonstration beginnt um 14.00 Uhr am Saarplatz und führt über das Gebäude
des Bundespolizeiamts, der Polizeiinspektion, der Staatsanwaltschaft und des
Amtsgerichts zum Doberaner Platz.

Ebenfalls morgen findet in Genua eine Demonstration wegen anstehender Urteile
gegen 25 Demonstranten statt. Sie hatten sich gegen einen Polizei-Angriff
gewehrt und sollen nun für zusammen 225 in Haft.


Prozeß-Beobachtungsgruppe Rostock: 0179/ 626 8785 (Dieter Rahmann)


*Hintergrundinformation zum gestrigen Prozeß*

Auch die Aussage des Zugführers, der Angeklagte habe sich vor der Festnahme
umgeblickt und vor Schreck einen sich in seiner Hand befindlichen Stein fallen
gelassen, wurde durch Aussagen der festnehmenden Polizeibeamten widerlegt. Die
Beamten gehörten zum gleichen Zug.
Einer sagte aus, der Angeklagte habe sich gar nicht umschauen können, da
ansonsten die üblicherweise angewandte besondere Verhaftungstechnik des
Schwitzkastens nicht funktioniert hätte. Um diese erfolgreich durchführen zu
können müssen sich Polizisten dem Festzunehmenden von hinten nähern.
Daß der Angeklagte einen Stein fallen ließ haben beide Festnehmenden nicht
gesehen.

Beide vom Angeklagten benannten Entlastungszeugen sagten aus, daß der Angeklagte
nicht vermummt gewesen war.

Der Richter würdigte deren Ausagen entgegen üblichen strafprozessualen Standards
nicht, da sie für den Angeklagten sprechen würden und folglich nicht als neutral
anzusehen seien.
Alle die Glaubwürdigkeit der Aussage des Zugführers in Zweifel ziehenden Beweise
und Aussagen der festnehmenden Beamten wurden von Richter Langer konsequent
ignoriert.

Prozeß-Beobachter hatten den Eindruck, daß der Angeklagten verurteilt wurde um
dem einzigen Belastungszeugen, dem Hannoveraner Zugführer, einen Strafprozeß
wegen uneidlicher Falschaussage zu ersparen.