[Pressemitteilung] G8: Immer mehr Polizeiübergriffe öffentlich

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Mi Jun 13 12:10:41 CEST 2007


[Gipfelsoli Infogruppe]

Pressemitteilung 13. Juni 2007

* Demonstranten in Gewahrsam und bei Kontrollen misshandelt und bedroht
* "Geh, oder du erlebst den Tag nicht mehr!"

In den Tagen nach dem G8-Protest werden immer mehr Details von
Polizeiübergriffen öffentlich. Betroffene schildern  auf
Internet-Portalen ihre Erlebnisberichte. Deutlich wird dass Polizisten
Gipfel-Kritiker in großem Umfang beschimpft, beleidigt, geschlagen und
misshandelt haben.

Nach Bestätigung von Anwälten ist es bei Festnahmen häufig zu brutaler
Gewaltanwendung gekommen. Polizisten weigerten sich, verletzte
Demonstranten zu versorgen. Stattdessen wurden sie teilweise direkt in
die Gefangenen-Sammelstellen gebracht.

Auf der Heimfahrt zum Camp Reddelich ist ein Fahrradkonvoi am 2. Juni
regelrecht überfallen worden. Die 30 Radfahrer wurden mit einem
gefährlichen Manöver auf der Bundesstraße 105 gestoppt. Aus fahrenden
Polizeifahrzeugen wurden sie geschlagen und mit Reizgas besprüht.

Bei der Demonstration am 4. Juni zum Thema "Migration" wurden Teilnehmer
durch die Polizei bedroht: "Wir werden uns für Samstag rächen, wenn Ihr
hier weiter demonstriert", "Wollt Ihr sterben?", "Geh, oder du erlebst
den heutigen Tag nicht mehr!".
Die Demonstration war angemeldet und nahm seitens der etwa 10.000
Demonstranten einen störungsfreien Verlauf. Polizeieinheiten versuchten
wiederholt die Teilnehmer zu provozieren. Mehrmals wurde unangekündigt
Pfefferspray eingesetzt.

Noch am Nachmittag verbreitet "Kavala" die Falschmeldung, es seien aus
der Versammlung massiv Steine und Flaschen geworfen worden. Das
Gegenteil ist allerdings von zahlreich anwesenden Journalisten bestätigt.

Am 5. Juni wurde eine Mutter mit ihrem 3jährigen Kind in einem
Shuttle-Bus zur Demonstration am Flughafen Laage verhaftet. Ihr wurde
der absurde Vorwurf gemacht, sie hätte sich im Reisebus auf der Autobahn
vermummt. Selbst das Kleinkind wurde in der Gefangenensammelstelle
"erkennungsdienstlich behandelt". Erst als der Kleine immer wieder den
Kopf wegdreht lassen die Beamten vom Fotografieren ab.

Bei der 5. Polizeikontrolle auf dem Weg zum Flughafen wurde ein Auto von
Demonstranten nach einer Durchsuchung von der Polizei manipuliert:
Plötzlich fehlte die Sicherung der Einspritzpumpe, das Fahrzeug ließ
sich nicht mehr starten. Währenddessen war die Gruppe von grinsenden
Beamten umringt.

Wasserwerfer haben zum Teil bei Blockaden ohne Vorwarnung geschossen.
Manche Demonstranten wurden von noch fahrenden Wasserwerfern von hinten
niedergesprüht. Am 7. Juni hat der Einsatz am "West-Tor" bei Hinter
Bollhagen zu mehreren Verletzungen, z.B. des Trommelfells geführt. Zwei
Aktivisten wurden schwer am Auge verletzt, einer liegt noch immer im
Krankenhaus. Aufnahmen zeigen die lachende Besatzung eines eingesetzten
Wasserwerfers.
Augenzeugen berichten, die Polizei hätte auf die üblichen 3 Warnungen
verzichtet. Lediglich die umstehende Presse sei vom bevorstehenden
Einsatz informiert worden. Trotz mehrfacher Aufforderung verwehrte die
Polizei einen Zugang der Sanitäter zu den Verletzten.

Auch eine "Nackt-Demonstration" wurde mit Pfefferspray angegriffen. Der
CS-Kampfstoff verteilte sich dabei über den ganzen Körper, was zu
schweren Reizungen führte.

In der gesamten Stadt Rostock fanden massive Kontrollen statt. Personen
wurden in Gewahrsam genommen weil sie z.B. Taschenmesser, G8-kritische
Broschüren oder Halstücher mitführten. Bei einer der Kontrollen wurde
Frauen in den Schritt gefasst und dabei anzügliche Geräusche gemacht.
Auch nahe dem Camp Wichmannsdorf gab es sexistische Übergriffe. Eine
Gruppe von Frauen musste sich am 5. Juni auf einem Parkplatz vor allen
anwesenden Polizisten ausziehen.

Beim Transport gab es weitere Misshandlungen, schildert ein Betroffener:
"Die Polizisten nahmen mir die eng einschneidenden Handschellen noch mal
ab, um meinen Rucksack abnehmen zu können und drohten mit Schlägen
sollte ich mich bewegen. Zur Verdeutlichung rammte einer der Polizisten
meinen Kopf mit Wucht gegen die Zellenwand. Als die Polizei mich und
einen anderen Gefangenen schließlich in der Zelle ließ, wurden wir
gewarnt, nicht miteinander zu sprechen, sonst würden er dafür sorgen,
'dass wir nie wieder sprechen können'".

"In einem Fall ist eine Einheit in eine an der Haltestelle stehende
Straßenbahn gestürmt, hat alle verprügelt die schwarze Kleidungsstücke
trugen und hat die Bahn sofort wieder verlassen", schreibt der
"Ermittlungsausschuß" nach einer Recherche am 4. Juni.

Viele Betroffene erhielten Platzverweise für Rostock und Bad Doberan.
Häufig bekamen sie einen Vordruck ausgehändigt, auf dem die Zeilen "auf
Widerspruch wurde verzichtet" und "rechtliches Gehör wurde gewährt"
bereits angekreuzt waren. Eine Belehrung hat es in diesen Fällen nicht
gegeben.

Quellen:
* Chronik von Übergriffen: http://gipfelsoli.org/
* Bilanz Ermittlungsausschuß: http://de.indymedia.org/2007/06/184501.shtml
* Weitere Erfahrungsberichte: http://gipfelsoli.org/Repression
* Kommentare von Betroffenen: http://de.indymedia.org/2007/06/184032.shtml
* Pressemitteilungen des Anwaltsnotdienst/ Ermittlungsausschuß:
http://gipfelsoli.org/Presse

Kontakt:
Gipfelsoli Infogruppe: 0160/ 953 14 023
Anwaltsnotdienst: 01577/ 470 4760 und 0163/ 619 5151