[Pressemitteilung] G8/ Aktionstag Landwirtschaft: 2. Genfeldbesetzung gescheitert

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Di Apr 17 14:33:43 CEST 2007


2. Genfeldbesetzung gescheitert: Polizeizone! 

*Presseinformation* 

Für Rückfragen: 0163-9233618
kontakt at gentech-weg.de.vu 

*Redaktionen Politik, Lokales MV, Wirtschaft, Ökologie* 

Agro-Gentechnik-Protest in Groß Lüsewitz: Die zweite Feldbesetzung 
innerhalb von fünf Tagen ist gestern nacht gescheitert. Der Grund war eine 
massive Polizeiüberwachung der BesetzerInnen, die sich auch mit Tricks 
nicht ganz überwinden ließ. Nur ein Teil der Aktivistis kam am Ziel an. 
Danach errichtete die Polizei eine Straßensperre auf der Bundesstraße 110 
im Ort Brodersdorf. Diese Polizeikontrollstelle hält auch am Tag danach an, 
da nun die Aussaat auf den Genversuchsfeldern begonnen hat. Diese läuft vor 
Ort nahe der B 110 unter massivem Polizeischutz. 

Das sollte eine Überraschung in Groß Lüsewitz werden: Fünf Tage nach der 
spektakulär gescheiterten Besetzung eines Gentechnik-Versuchsfeldes und 
passgenau auf den internationalen Aktionstag zu Landwirtschaft und 
Gentechnik („Via Campesina“ ) haben Gentechnik-GegnerInnen in den 
frühen Morgenstunden des 17. April die umkämpften Felder erneut 
attackiert. Doch deutlicher als beim ersten Versuch zeigte sich, dass die 
Staatsmacht in Form von ziviler und Bereitschaftspolizei sowie die 
inzwischen vom Genversuchs-durchführenden AgroBioTechnikum eingesetzten 
privaten Sicherheitskräfte mit hohem Aufwand druckvolle Formen von Protest 
verhindern wollen. Der Abfahrtsort der AktivistInnen, die ihre Aktionstaktik 
stark verändert hatten, wurde scharf überwacht. Auf der B 110 errichte die 
Polizei eine Kontrollstelle, um den in Richtung Versuchsfelder fließenden 
Verkehr überprüfen zu können. Das dritte Fahrzeug geriet in diese 
Kontrolle, so dass nur die ersten Gruppen mit Teilen der Technik für 
Turmbau und Lock-ons zum Feld gelangte und dort schließlich die 
Vorbereitungsarbeiten abbrechen musste. 

Die erneute Besetzung des Gentechnikfeldes sollte, so hofften die 
AktivistInnen, die Diskussion um die riskanten Versuche des 20km östlich 
der Hansestadt Rostock gelegenen AgroBioTechnikums weiter anfachen. Seit der 
gescheiterten ersten Besetzung waren jeden Tag Gentech-KritikerInnen nach 
Groß Lüsewitz und in die Umgebung gezogen, um mit vielen Menschen zu reden 
und bei kleineren Aktionen bis zur Besetzung des Turms vor dem 
AgroBioTechnikum den Konsens des Schweigens in dem Ort zu brechen, in dem 
2004 das heikle Gründerzentrums für profitorientierte 
Gentechnik-Basteleien an Nutzpflanzen eröffnet wurde: „Wir wollten Inge 
Broer und ihrem ganzen Team im AgroBioTechnikum samt dubioser Firmen und 
Vereine im Umfeld eine Gegenstimme entgegensetzen und enthüllen, dass 
hinter der Propaganda von Sicherheitsforschung, wirtschaftlicher Entwicklung 
und Arbeitsplätzen eher knallharte Profitinteressen ganz weniger Firmen 
stehen“. 

Einen Erfolg konnten die BesetzerInnen offensichtlich immerhin verbuchen: 
Das ausgewählte Feld der ersten Besetzung wurde sichtbar aufgegeben für 
die aktuellen Versuche und an anderer Stelle unter massivem Polizeischutz 
neu vorbereitet. 

„Aber das ist zu wenig“, resümiert eine Teilnehmerin der Aktionen. 
„Ich hoffe, dass die folgenden Wochen und der Aktionstag am 3.6. den 
Versuchen ein wirkungsvolleres Ende bereiten. Schon wäre, wenn auch vor Ort 
der Widerstand wächst. Dann hätte sich vieles gelohnt.“ 

Aktuelle Lage an den Feldern
Die Kontrollstelle der Polizei an der B 110 besteht weiter, also auch 
tagsüber. Auf den Feldern wird unter Polizeischutz ausgesät (Stand: 17.4., 
14 Uhr) 

Achtung!
Wer Kontakt zu den AktivistInnen sucht für Berichte, Interviews, 
Veranstaltungen u.ä., kann sich noch eine Weile unter der 
Presse-Kontaktnummer 0163-9233618 oder über kontakt at gentech-weg.de.vu 
melden. 

*Mehr Informationen*
· Bericht der ersten Besetzung: Ein ausführlicher Bericht zum ersten 
Besetzungsversuch befindet sich im Internet unter  
http://de.indymedia.org/2007/04/173117.shtml.
· Ortsbeschreibung: Die Feldbesetzungen fanden in der Nähe von Groß 
Lüsewitz statt. Der Ort liegt östlich von Rostock an der B 110. Im Ort 
befindet sich in zentraler Lage das AgroBioTechnikum. Die meisten der 
Genvesuchsfelder, darunter auch die beiden versuchten Besetzungsflächen, 
liegen gegenüber des Ortes nördlich der B 110. Dort zweigt eine kleine 
Straße in Richtung Sagerheide ab. Gleich zu Beginn liegt linker Hand ein 
erstes Genversuchsfeld, in dessen Verlängerung bis zur Straße nach Klein 
Lüsewitz befindet sich das jetzt verlegte Feld. Wer Richtung Sagerheide 
weiterfährt, stößt wenige hundert Meter auf das links liegende Feld des 
ersten Besetzungsversuchs. Noch 2 Kilometer in dieser Richtung weiter 
beginnt Sagerheide. Der Ort muss geradeaus durchfahren werden, dann liegen 
rechter Hand weitere Genversuchsflächen, die in der zweiten Besetzungsnacht 
das Ziel waren. 

Presse-Kontakttelefon: 0163-9233618
Internetseite: www.gentech-weg.de.vu 

*Interview mit einem/r BesetzerIn* [1] 

Frage: Was wollt Ihr erreichen?
Wir sind sehr unterschiedliche Menschen, vertreten keine Verbände und 
sprechen immer nur für uns. Manche von uns kritisieren die Gentechnik 
vorrangig wegen ihrer Auswirkungen auf die Strukturen im 
Lebensmittelbereich, andere benennen die Stärkung von 
Herrschaftsstrukturen. Die meisten haben viele Gründe – und sagen das 
auch. Unsere konkrete Aktion soll eine Art Erregungskorridor schaffen, in 
dem die Debatte um Gefahren intensiv geführt werden kann. Nur mit 
Flugblättern oder Infotischen ist das nicht zu machen. Wir hängen da der 
Idee von ‚Direct Action’ an, nach der symbolstarke Aktionen eine 
Aufmerksamkeit erzeugen können, die dann genutzt wird für Diskussionen, 
Alternativen und Projekte. 

Frage: Wie ist Euer Kontakt zu den Menschen, die in der Umgebung wohnen?
Schon in den zurückliegenden Tagen haben wir viele Gespräche geführt und 
immer neue, kleine Aktionen gemacht. Der direkte Kontakt war uns wichtig. 
Das alles hat viel Spaß gemacht, es waren viele intensive Gespräche dabei 
auch mit Menschen, die anders als wir denken über die Gentechnik. Nur ganz 
wenige haben gepöbelt, meistens mit ganz flachen Sprüchen, zum Beispiel 
dass wir arbeiten gehen sollen. Die Gentechnik hat bislang kaum jemand 
verteidigt, nur eine Person hat wortwörtlich gesagt: ‚Wes Brot ich ess, 
des Lied ich sing’ und sogar noch ein ‚100%ig’ hinzugefügt. Daher sei 
es ein Hohn, dass hier viel Geld der SteuerzahlerInnen verprasst werde, die 
Gemeinde das Ganze einseitig unterstütze und etwas politisch gefördert 
wird, was nur ganz Wenigen etwas nützt, aber viel riskiert. 

Frage: Wie habt Ihr es geschafft, nach dem Scheitern eine zweite Besetzung 
zu organisieren?
Wir waren nach der gescheiterten Nacht völlig erledigt, aber trotzdem 
motiviert, uns nicht so schnell klein kriegen zu lassen. Wir hatten fast ein 
Jahr vorbereitet und das meiste hatte auch geklappt. Zunächst haben wir mit 
kleineren Aktionen und vielen direkten Gesprächen in den Orten der Umgebung 
unsere Idee verfolgt, Gegenwind zur Gentech-Lobby zu machen. Das war zum 
Teil sehr motivierend. Es dauerte eigentlich nur kurz, dann kam in der 
abendlichen Diskussionsrunde die Idee auf: Wir geben auch die Hauptaktion 
nicht auf. Seitdem hatten wir das Gelände neu erkundet, neue Zugangswege 
herausgefunden und einen neuen Aktionsplan aufgestellt. Schließlich haben 
wir bei der gescheiterten Besetzung all unser Material verloren und mussten 
nun auf Schrottplätzen und bei befreundeten Personen suchen, sägen, 
schweißen und mehr. Gegenüber der Polizei wollten wir den Eindruck 
erwecken, dass wir nun nur noch einige Aktionen am Tag machen. Dieser Plan 
ging auf. Wir haben bei unseren öffentlichen Aktionen in Groß Lüsewitz 
zwar deutlich unsere Meinung gesagt, aber den Anschein erweckt, ganz harmlos 
zu sein und jedes Mal weniger zu werden. Wir hofften, dass die Polizei 
langsam ihre Überwachung verringert. Das hat offenbar nicht geklappt. Es 
ist beeindruckend, wie viel Geld und Macht der Staat in die Förderung 
profitorientierter Wirtschaftsforschung steckt. Das ist nichts Neues, aber 
jede offensichtliche Dokumentation kann der Demaskierung dienen. 


Frage: Wie ist überhaupt Euer Verhältnis zur Streitmacht des Staates?
Es gibt da keine einheitliche Meinung außer der einen: Die Polizei handelt 
im Interesse der Mächtigen. Sie hat in diesem Fall die Gentechniklobby zu 
unterstützen. Es gibt etliche Menschen unter uns, die ständig in sehr 
intensiven Kontakt mit den eingesetzten BeamtInnen kommen, um sie als 
Personen mit eigener Meinung anzusprechen und das konkrete Tun als 
BefehlsempfängerInnen mächtigerer Interessen zu hinterfragen. Dabei wurde 
deutlich, dass die meisten Uniformierten auch GegnerInnen der Gentechnik 
sind, aber hier die Gentechnik mit allen Mitteln durchzusetzen haben.
Wir wollen die Rolle der Polizei bei der Durchsetzung der Interessen weniger 
Konzerne und gesellschaftlicher Eliten deutlich benennen, das ist Teil der 
Aktion. 


Frage: Und andere Gruppen?
Nicht so erfreulich. Erwartungsgemäß gegen die NGOs und bürgerlichen 
Gruppen auf Distanz, wenn es etwas widerständiger wird. Schließlich sind 
sie sehr auf ihr Image im gehobenen BürgerInnentum bedacht, wo Mitglieder 
und Spenden herkommen. Das führt vor allem in Deutschland zu einem 
ungeheuer langweiligen Politikstil der Appelle, Unterschriftensammlungen, 
Postkarten- und Luftballonaktionen, ebenso zu einer totalen Labelisierung 
des Protestes, wo die inhaltlichen Ziele in einem Konkurrenzkampf der Marken 
untergehen – wie zwischen Konzernen. Der Unterschied ist, dass hier 
Verbandslogos im Vordergrund stehen. Ganz ähnliches Denken herrscht auch in 
radikalen Kreisen vor, was angesichts der Abhängigkeit auch solcher Gruppen 
von Staatsknete und der Orientierung auf bildungsbürgerliche Karrieren 
wenig verwundert. Schön war, dass wir nach der missglückten ersten 
Besetzung in der Ehm-Welk-Schule aufgenommen und so unterstützt wurden. Da 
sind Räume entstanden, die sehr offen wirken und sich der einengenden 
Kontrolle von BewegungsführerInnen entziehen. Ich hoffe, dass das nicht nur 
so bleibt, sondern diese Räume auch endlich von mehr konkreten Aktionen 
gefüllt werden. Weniger Bündnis, mehr Widerstand – davon würde ich 
träumen. 

[1] Wie alle der BesetzerInnen spricht die Person nur für sich. Der Name 
ist ohne Bedeutung.