[Pressemitteilung] G8/ Aktionstag Landwirtschaft: 2. Genfeldbesetzung gescheitert
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Di Apr 17 14:33:43 CEST 2007
2. Genfeldbesetzung gescheitert: Polizeizone!
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*Redaktionen Politik, Lokales MV, Wirtschaft, Ökologie*
Agro-Gentechnik-Protest in Groß Lüsewitz: Die zweite Feldbesetzung
innerhalb von fünf Tagen ist gestern nacht gescheitert. Der Grund war eine
massive Polizeiüberwachung der BesetzerInnen, die sich auch mit Tricks
nicht ganz überwinden ließ. Nur ein Teil der Aktivistis kam am Ziel an.
Danach errichtete die Polizei eine Straßensperre auf der Bundesstraße 110
im Ort Brodersdorf. Diese Polizeikontrollstelle hält auch am Tag danach an,
da nun die Aussaat auf den Genversuchsfeldern begonnen hat. Diese läuft vor
Ort nahe der B 110 unter massivem Polizeischutz.
Das sollte eine Überraschung in Groß Lüsewitz werden: Fünf Tage nach der
spektakulär gescheiterten Besetzung eines Gentechnik-Versuchsfeldes und
passgenau auf den internationalen Aktionstag zu Landwirtschaft und
Gentechnik („Via Campesina“ ) haben Gentechnik-GegnerInnen in den
frühen Morgenstunden des 17. April die umkämpften Felder erneut
attackiert. Doch deutlicher als beim ersten Versuch zeigte sich, dass die
Staatsmacht in Form von ziviler und Bereitschaftspolizei sowie die
inzwischen vom Genversuchs-durchführenden AgroBioTechnikum eingesetzten
privaten Sicherheitskräfte mit hohem Aufwand druckvolle Formen von Protest
verhindern wollen. Der Abfahrtsort der AktivistInnen, die ihre Aktionstaktik
stark verändert hatten, wurde scharf überwacht. Auf der B 110 errichte die
Polizei eine Kontrollstelle, um den in Richtung Versuchsfelder fließenden
Verkehr überprüfen zu können. Das dritte Fahrzeug geriet in diese
Kontrolle, so dass nur die ersten Gruppen mit Teilen der Technik für
Turmbau und Lock-ons zum Feld gelangte und dort schließlich die
Vorbereitungsarbeiten abbrechen musste.
Die erneute Besetzung des Gentechnikfeldes sollte, so hofften die
AktivistInnen, die Diskussion um die riskanten Versuche des 20km östlich
der Hansestadt Rostock gelegenen AgroBioTechnikums weiter anfachen. Seit der
gescheiterten ersten Besetzung waren jeden Tag Gentech-KritikerInnen nach
Groß Lüsewitz und in die Umgebung gezogen, um mit vielen Menschen zu reden
und bei kleineren Aktionen bis zur Besetzung des Turms vor dem
AgroBioTechnikum den Konsens des Schweigens in dem Ort zu brechen, in dem
2004 das heikle Gründerzentrums für profitorientierte
Gentechnik-Basteleien an Nutzpflanzen eröffnet wurde: „Wir wollten Inge
Broer und ihrem ganzen Team im AgroBioTechnikum samt dubioser Firmen und
Vereine im Umfeld eine Gegenstimme entgegensetzen und enthüllen, dass
hinter der Propaganda von Sicherheitsforschung, wirtschaftlicher Entwicklung
und Arbeitsplätzen eher knallharte Profitinteressen ganz weniger Firmen
stehen“.
Einen Erfolg konnten die BesetzerInnen offensichtlich immerhin verbuchen:
Das ausgewählte Feld der ersten Besetzung wurde sichtbar aufgegeben für
die aktuellen Versuche und an anderer Stelle unter massivem Polizeischutz
neu vorbereitet.
„Aber das ist zu wenig“, resümiert eine Teilnehmerin der Aktionen.
„Ich hoffe, dass die folgenden Wochen und der Aktionstag am 3.6. den
Versuchen ein wirkungsvolleres Ende bereiten. Schon wäre, wenn auch vor Ort
der Widerstand wächst. Dann hätte sich vieles gelohnt.“
Aktuelle Lage an den Feldern
Die Kontrollstelle der Polizei an der B 110 besteht weiter, also auch
tagsüber. Auf den Feldern wird unter Polizeischutz ausgesät (Stand: 17.4.,
14 Uhr)
Achtung!
Wer Kontakt zu den AktivistInnen sucht für Berichte, Interviews,
Veranstaltungen u.ä., kann sich noch eine Weile unter der
Presse-Kontaktnummer 0163-9233618 oder über kontakt at gentech-weg.de.vu
melden.
*Mehr Informationen*
· Bericht der ersten Besetzung: Ein ausführlicher Bericht zum ersten
Besetzungsversuch befindet sich im Internet unter
http://de.indymedia.org/2007/04/173117.shtml.
· Ortsbeschreibung: Die Feldbesetzungen fanden in der Nähe von Groß
Lüsewitz statt. Der Ort liegt östlich von Rostock an der B 110. Im Ort
befindet sich in zentraler Lage das AgroBioTechnikum. Die meisten der
Genvesuchsfelder, darunter auch die beiden versuchten Besetzungsflächen,
liegen gegenüber des Ortes nördlich der B 110. Dort zweigt eine kleine
Straße in Richtung Sagerheide ab. Gleich zu Beginn liegt linker Hand ein
erstes Genversuchsfeld, in dessen Verlängerung bis zur Straße nach Klein
Lüsewitz befindet sich das jetzt verlegte Feld. Wer Richtung Sagerheide
weiterfährt, stößt wenige hundert Meter auf das links liegende Feld des
ersten Besetzungsversuchs. Noch 2 Kilometer in dieser Richtung weiter
beginnt Sagerheide. Der Ort muss geradeaus durchfahren werden, dann liegen
rechter Hand weitere Genversuchsflächen, die in der zweiten Besetzungsnacht
das Ziel waren.
Presse-Kontakttelefon: 0163-9233618
Internetseite: www.gentech-weg.de.vu
*Interview mit einem/r BesetzerIn* [1]
Frage: Was wollt Ihr erreichen?
Wir sind sehr unterschiedliche Menschen, vertreten keine Verbände und
sprechen immer nur für uns. Manche von uns kritisieren die Gentechnik
vorrangig wegen ihrer Auswirkungen auf die Strukturen im
Lebensmittelbereich, andere benennen die Stärkung von
Herrschaftsstrukturen. Die meisten haben viele Gründe – und sagen das
auch. Unsere konkrete Aktion soll eine Art Erregungskorridor schaffen, in
dem die Debatte um Gefahren intensiv geführt werden kann. Nur mit
Flugblättern oder Infotischen ist das nicht zu machen. Wir hängen da der
Idee von ‚Direct Action’ an, nach der symbolstarke Aktionen eine
Aufmerksamkeit erzeugen können, die dann genutzt wird für Diskussionen,
Alternativen und Projekte.
Frage: Wie ist Euer Kontakt zu den Menschen, die in der Umgebung wohnen?
Schon in den zurückliegenden Tagen haben wir viele Gespräche geführt und
immer neue, kleine Aktionen gemacht. Der direkte Kontakt war uns wichtig.
Das alles hat viel Spaß gemacht, es waren viele intensive Gespräche dabei
auch mit Menschen, die anders als wir denken über die Gentechnik. Nur ganz
wenige haben gepöbelt, meistens mit ganz flachen Sprüchen, zum Beispiel
dass wir arbeiten gehen sollen. Die Gentechnik hat bislang kaum jemand
verteidigt, nur eine Person hat wortwörtlich gesagt: ‚Wes Brot ich ess,
des Lied ich sing’ und sogar noch ein ‚100%ig’ hinzugefügt. Daher sei
es ein Hohn, dass hier viel Geld der SteuerzahlerInnen verprasst werde, die
Gemeinde das Ganze einseitig unterstütze und etwas politisch gefördert
wird, was nur ganz Wenigen etwas nützt, aber viel riskiert.
Frage: Wie habt Ihr es geschafft, nach dem Scheitern eine zweite Besetzung
zu organisieren?
Wir waren nach der gescheiterten Nacht völlig erledigt, aber trotzdem
motiviert, uns nicht so schnell klein kriegen zu lassen. Wir hatten fast ein
Jahr vorbereitet und das meiste hatte auch geklappt. Zunächst haben wir mit
kleineren Aktionen und vielen direkten Gesprächen in den Orten der Umgebung
unsere Idee verfolgt, Gegenwind zur Gentech-Lobby zu machen. Das war zum
Teil sehr motivierend. Es dauerte eigentlich nur kurz, dann kam in der
abendlichen Diskussionsrunde die Idee auf: Wir geben auch die Hauptaktion
nicht auf. Seitdem hatten wir das Gelände neu erkundet, neue Zugangswege
herausgefunden und einen neuen Aktionsplan aufgestellt. Schließlich haben
wir bei der gescheiterten Besetzung all unser Material verloren und mussten
nun auf Schrottplätzen und bei befreundeten Personen suchen, sägen,
schweißen und mehr. Gegenüber der Polizei wollten wir den Eindruck
erwecken, dass wir nun nur noch einige Aktionen am Tag machen. Dieser Plan
ging auf. Wir haben bei unseren öffentlichen Aktionen in Groß Lüsewitz
zwar deutlich unsere Meinung gesagt, aber den Anschein erweckt, ganz harmlos
zu sein und jedes Mal weniger zu werden. Wir hofften, dass die Polizei
langsam ihre Überwachung verringert. Das hat offenbar nicht geklappt. Es
ist beeindruckend, wie viel Geld und Macht der Staat in die Förderung
profitorientierter Wirtschaftsforschung steckt. Das ist nichts Neues, aber
jede offensichtliche Dokumentation kann der Demaskierung dienen.
Frage: Wie ist überhaupt Euer Verhältnis zur Streitmacht des Staates?
Es gibt da keine einheitliche Meinung außer der einen: Die Polizei handelt
im Interesse der Mächtigen. Sie hat in diesem Fall die Gentechniklobby zu
unterstützen. Es gibt etliche Menschen unter uns, die ständig in sehr
intensiven Kontakt mit den eingesetzten BeamtInnen kommen, um sie als
Personen mit eigener Meinung anzusprechen und das konkrete Tun als
BefehlsempfängerInnen mächtigerer Interessen zu hinterfragen. Dabei wurde
deutlich, dass die meisten Uniformierten auch GegnerInnen der Gentechnik
sind, aber hier die Gentechnik mit allen Mitteln durchzusetzen haben.
Wir wollen die Rolle der Polizei bei der Durchsetzung der Interessen weniger
Konzerne und gesellschaftlicher Eliten deutlich benennen, das ist Teil der
Aktion.
Frage: Und andere Gruppen?
Nicht so erfreulich. Erwartungsgemäß gegen die NGOs und bürgerlichen
Gruppen auf Distanz, wenn es etwas widerständiger wird. Schließlich sind
sie sehr auf ihr Image im gehobenen BürgerInnentum bedacht, wo Mitglieder
und Spenden herkommen. Das führt vor allem in Deutschland zu einem
ungeheuer langweiligen Politikstil der Appelle, Unterschriftensammlungen,
Postkarten- und Luftballonaktionen, ebenso zu einer totalen Labelisierung
des Protestes, wo die inhaltlichen Ziele in einem Konkurrenzkampf der Marken
untergehen – wie zwischen Konzernen. Der Unterschied ist, dass hier
Verbandslogos im Vordergrund stehen. Ganz ähnliches Denken herrscht auch in
radikalen Kreisen vor, was angesichts der Abhängigkeit auch solcher Gruppen
von Staatsknete und der Orientierung auf bildungsbürgerliche Karrieren
wenig verwundert. Schön war, dass wir nach der missglückten ersten
Besetzung in der Ehm-Welk-Schule aufgenommen und so unterstützt wurden. Da
sind Räume entstanden, die sehr offen wirken und sich der einengenden
Kontrolle von BewegungsführerInnen entziehen. Ich hoffe, dass das nicht nur
so bleibt, sondern diese Räume auch endlich von mehr konkreten Aktionen
gefüllt werden. Weniger Bündnis, mehr Widerstand – davon würde ich
träumen.
[1] Wie alle der BesetzerInnen spricht die Person nur für sich. Der Name
ist ohne Bedeutung.